Messerattacke in Hamburg: Tatverdächtiger war als Islamist bekannt

Hamburg
Hamburg(c) REUTERS (MORRIS MAC MATZEN)
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Gegen den Täter. einem 26-jährigen Mann aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, wurde Haftbefehl erlassen. Bei dem Messerangriff starb ein 50-Jähriger. Sieben weitere wurden verletzt, sie sind außer Lebensgefahr.

Der Angreifer von Hamburg ist den Sicherheitsbehörden im Vorfeld seiner tödlichen Bluttat als Islamist bekannt gewesen. Es habe Hinweise auf eine Radikalisierung des Mannes gegeben, weshalb Polizei und Verfassungsschutz mit ihm in Kontakt standen, sagte Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) am Samstag. Zugleich sei der ausreisepflichtige abgelehnte Asylbewerber "psychisch labil", das genaue Tatmotiv sei deshalb noch unklar. Der Mann hatte am Freitag einen Menschen erstochen und sieben weitere verletzt. Gegen den 26-jährigen palästinensischen Angreifer ist Haftbefehl erlassen worden. Der Verdächtige sitze nun in Untersuchungshaft, teilte die Anklagebehörde am Wochenende mit.

"Wir gehen im Moment von einem psychisch labilen Einzeltäter aus", fuhr der Innensenator bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Polizei und Staatsanwaltschaft fort. Es gebe aber auch eine Bezugnahme auf religiöse, islamistische Beweggründe, daher gebe es eine "Gemengelage", bei der noch nicht klar sei, was den 26-Jährigen zu seiner Tat bewogen habe.

Der Angreifer wurde von den Behörden als Islamist eingestuft, "nicht aber als Dschihadist", wie Grote sagte. Bisher gebe es auch keine Hinweise auf eine Einbindung des mutmaßlichen Täters in islamistische Netzwerke sowie auf Hintermänner des Angriffs. Der Polizei zufolge wurde der Angreifer als "sogenannter Verdachtsfall geführt". Demnach berichtete ein Hinweisgeber, dass er sich zuletzt verändert und sehr viel über den Koran gesprochen habe.

Merkel trauert um Tote der "grausamen Attacke"

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den Betroffenen des Messerangriffs ihr Mitgefühl übermittelt. Sie trauere um das Todesopfer der "grausamen Attacke", erklärte Merkel am Samstag. Den Verletzten wünschte sie rasche Genesung.

"Die Gewalttat muss und wird aufgeklärt werden", versprach die Kanzlerin. Sie stehe in ständigem Kontakt mit dem deutschen Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) und Hamburgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), erklärte Merkel.

Bei Festnahme verletzt

Nach Polizeiangaben ging der mutmaßliche Täter am Freitagnachmittag im Hamburger Stadtteil Barmbek in einen Supermarkt und kehrte nach Verlassen der Filiale wenig später dorthin zurück. Er habe dann ein Küchenmesser aus einem Regal gezogen und in dem Markt drei Menschen schwer verletzt, von denen einer später gestorben sei, sagte Kathrin Hennings vom Landeskriminalamt. In der nahen Umgebung des Markts verletzte er vier weitere Menschen, bevor er von Passanten verfolgt und schließlich festgenommen wurde.

Der Angreifer, der bei der Festnahme verletzt wurde, wurde am Samstag einem Haftrichter vorgeführt, die Staatsanwaltschaft wollte Haftbefehl wegen Mordes und versuchten Mordes beantragen. Sie wollte sich aber auch einen Antrag auf Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung offenhalten.

Asylantrag wurde abgelehnt

Geboren wurde der mutmaßliche Angreifer der Staatsanwaltschaft zufolge in den Vereinigten Arabischen Emiraten, er war Angehöriger der palästinensischen Volksgruppe. Er reiste im März 2015 über Norwegen nach Deutschland ein und stellte im Mai einen Asylantrag. Seit dieser Ende des vergangenen Jahres abgelehnt worden sei, laufe das Ausreiseverfahren, hieß es. Noch am Freitag hatte sich der Mann laut Grote bei der Ausländerbehörde erkundigt, ob die nötigen Passersatzpapiere eingetroffen seien. Ausstellen wollte sie die Palästinensische Mission in Berlin.

Grote zeigte sich "erschüttert und entsetzt" von der "erbärmlichen, verachtenswerten" Bluttat und sprach den Angehörigen und Betroffenen sein Mitgefühl aus. Zugleich dankte er den Hamburger Bürgern, die dabei halfen, den Angreifer zu stoppen. Die Verletzten waren am Samstag allesamt außer Lebensgefahr.

Der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) sprach ebenfalls von einer "schrecklichen Attacke" und übermittelte den Betroffenen sein Mitgefühl. Es sei nun "wichtig, die Hintergründe der Tat so schnell wie möglich zu analysieren".

Stolz auf Hamburgs mutige Helden

Videoaufnahmen zeigen, wie sich einige Männer mutig dem bewaffneten Mann mit Stühlen entgegenstellten. Wie viele Menschen den Angreifer bei seiner Flucht letztendlich verfolgten, ist noch unklar. Dennoch sind es diese Unerschrockenen, über die am Samstag nicht nur in Hamburg viele sprechen - ihr Einsatz erscheint vielen heldenhaft, auch weil sie nicht einfach wegschauten.

"Ich habe auch versucht, mit ihm zu reden, aber er hat nur etwas gesagt, was man überhaupt nicht verstanden hat", erzählt Jamel  Chraiet, ein gebürtiger Tunesier, als er Samstag früh wieder in jenem Cafe sitzt, von dem aus er und andere die Verfolgung aufnahmen. "Ob der in einer anderen Welt war? Keine Ahnung, was mit ihm los war." Es sei alles ganz schnell gegangen. Nur die Zeit, bis auch die Polizei da war - die sei ihm "verdammt lange" vorgekommen.

In dem Moment, als Jamel Chraiet zu einem der Helden von Hamburg-Barmbek wird, ging jedenfalls alles ganz schnell. Eine Frau habe geschrien, dass jemand Menschen absteche, erinnert sich der 48-Jährige am Tag danach. "Plötzlich haben wir einen Mann gesehen, mit einem langem Messer, blutverschmiert. Egal, wie cool man sonst ist, in einem solchen Augenblick weiß man erst einmal gar nichts." Der gebürtige Tunesier saß mit Landsleuten vor einem Backshop, wenige Meter entfernt vom Tatort - sie reagierten schnell. "Wir haben uns besprochen, jeder sollte einen Stuhl schnappen, dann sind wir auf ihn losmarschiert."

"Aber als Helden würde ich uns nicht bezeichnen, das ist einfach eine normale Reaktion", sagt Chraiet. Das ganze Cafe sei voll gewesen, sie hätten einfach alle etwas tun müssen. Er sei aber froh, dass auch er und seine Landsleute an der Verfolgung beteiligt gewesen seien, betont der Mann, der seit 27 Jahren in Deutschland lebt und bei der Hamburger Hochbahn arbeitet. "Damit die Leute sehen, es gibt auch andere, die nicht so sind."

(APA/dpa)

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