Apple baut Chinas digitalen Käfig

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Themenbild: Apple in China(c) REUTERS (ALY SONG)
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Der US-Konzern verbannt auf Pekings Wunsch jene VPN-Dienste von seinen Geräten, die Chinesen bisher die Flucht vor der digitalen Zensur boten. Doch das Regime hat mit den IT-Konzernen noch mehr vor.

Wien/Peking. Anfang 2016 wurde Apple plötzlich zum neuen Liebling der Netzgemeinde: Mit großem Tamtam weigerte sich der Konzern, dem FBI beim Entsperren des iPhone eines toten Attentäters zu helfen. „Die Amerikaner haben ein fundamentales Recht auf Privatsphäre“, schmetterte Apple-Chef Tim Cook damals den Behörden entgegen. Nun, in China ist die Lage offenbar etwas anders.

Wie am Sonntag bekannt wurde, hat der US-Technologiekonzern auf Pekings Wunsch VPN-Dienste von seinen Geräten verbannt. Bürger wie Unternehmen nutzen diese „virtuellen privaten Netzwerke“, um der digitalen Diktatur der kommunistischen Führung zu entgehen und auf das globale Internet zugreifen zu können.

China hat eines der restriktivsten Systeme aufgebaut, um die Bevölkerung online von Informationen aus dem Westen fernzuhalten. Pekings Great Firewall blockiert Zehntausende Websites wie Google, Facebook, Twitter, aber auch Medien wie Bloomberg, „LeMonde“ oder den „Guardian“.

Unter dem Namen Golden Shield fährt das Land eine weitreichende Online-Überwachung. Die staatlichen Zensoren löschen Social-Media-Profile, sobald darin Reizworte wie „Tian'anmen-Platz“ oder „Free Tibet“ vorkommen. Mit der Great Cannon attackiert das Land feindliche Websites. Aber Peking geht noch einen Schritt weiter.

Das Land, in dem kürzlich selbst Winnie Puuh verboten wurde, da der kleine Bär Staatschef Xi Jinping zu ähnlich sehe, ist dabei, die digitalen Fesseln noch etwas enger zu schnüren. Ab dem nächsten Jahr könnten Mobilfunkanbieter etwa gezwungen werden, die Nutzung von VPN-Diensten komplett zu blockieren. Und das neue, umstrittene Cyber-Security-Gesetz sieht vor, dass alle Daten, die Chinesen in die Cloud hochladen, in China gespeichert werden. Das würde den Zugriff der Behörden auf die Daten stark erleichtern, warnen Kritiker.

Big Data für mehr soziale Kontrolle

Nun ist China nicht das einzige Land, in dem Firmen Unmengen an Informationen über ihre Kunden sammeln und Regierungen ein gewisses Interesse daran zeigen. Spätestens seit den Enthüllungen von Edward Snowden ist bekannt, dass sich auch die USA von Amerikas Konzernen Hintertüren (sogenannte Backdoors) in Programme haben einbauen lassen, um im Bedarfsfall Zugriff darauf zu haben. Doch während sich viele Firmen im Westen heute vermehrt gegen die erzwungene Partnerschaft wehren, machen sie in China bereitwillig mit.

Das hat – zumindest bei Apple – einen guten Grund: China ist nach den USA mittlerweile der zweitwichtigste Markt für den iPhone-Bauer. Ein Fünftel des Umsatzes kommt aus dem Reich der Mitte. Dennoch läuft es dort alles andere als rund für die Amerikaner. Chinas Handybauer Huawei und Xiaomi dominieren den Markt, und auch das Regime bleibt ein Unsicherheitsfaktor. Im Vorjahr sperrte es Apples Musik- und Filmdienste, ohne einen Grund anzugeben. Apple kämpft um den Anschluss an einen der größten Tech-Märkte der Welt – und kommt Peking dafür immer wieder weit entgegen.

Ende 2016 löschte Apple auf Wunsch der Behörden die App der „New York Times“ aus dem lokalen Angebot. Erst kürzlich wurde bekannt, dass der Konzern erstmals ein Datenzentrum in China bauen will, um den neuen Gesetzen Genüge zu tun und die Daten seiner Kunden in China zu speichern. Das große Problem: Apple baut den neuen Datenspeicher zwar, betreiben wird ihn aber eine chinesische Staatsfirma.

An Kreativität, was man mit diesen neuen Möglichkeiten anstellen könnte, mangelt es Peking nicht. Schon 2010 startete es ein Pilotprojekt, um das Vertrauen in öffentliche Institutionen wieder zu heben. Die Einwohner einer Stadt nahe Shanghai bekamen für „gute Taten“ Punkte zugeschrieben, für „schlechte“ gab es Punkteabzug. Die Gewinner sollten schneller befördert oder bei der Vergabe kommunaler Wohnungen bevorzugt werden. Das Experiment scheiterte, da die Datenqualität zu schlecht war. Doch am Ziel, die Gesellschaft per sozialer Kontrolle zu lenken, hat sich nichts geändert. Big Data könnte nun der Schlüssel zum Erfolg sein. Mit Daten, wie sie Apple und Co. lagern, ließe sich das System wohl rasch ausbauen.

Apple betont, dass die Daten der chinesischen Kunden sicher blieben und keine Hintertüren für die Regierung eingebaut würden. Warum auch? Peking bekommt ja ohnedies den Schlüssel zur Vordertür.

LEXIKON

Ein VPN-Tunnel hilft, sich online zu bewegen, ohne große Spuren zu hinterlassen. Die Daten fließen verschlüsselt zwischen Nutzer und VPN-Server, der die Anfrage weiterreicht. Die Website (und Dritte) sieht die IP-Adresse des VPN-Servers, und nicht die des Nutzers.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2017)

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