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Depeche Mode in Wien: Huldige deinem Gott

(c) APA (Herbert Pfarrhofer)
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Die Elektro-Pioniere Depeche Mode brachten am Donnerstag neben Nostalgie und Weltschmerz eine Menge Rock in die Wiener Stadthalle. Frontmann Dave Gahan ließ sich als "Personal Jesus" verehren.

Wie jedes Konzert der "Tour of the Universe" beginnt auch in Wien der Auftritt der drei Briten Dave Gahan, Martin Gore und Andrew Fletcher - besser bekannt als Depeche Mode - mit dem gefühlsvollen Pop-Song "In Chains". Die Wahl des Titels ist nicht zufällig. Frontmann Gahan müht sich durch drei Pflicht-Songs ("In Chains", "Wrong", "Hole to Feed") des neuen Albums, ehe sich die Fans auf vertrautem Terrain bewegen. Es ist so, als müsste Gahan die Ketten des Erwachsenseins abstreifen - ehe er die "Depechies", wie sich die Fans selbst nennen - wieder in die Nostalgie ihrer vergessenen Jugend entlässt. Mit "Walking in my Shoes" ist das Eis dann aber gebrochen, ehe Klassiker wie "It's no good" und "A Question of Time" folgen.

Rockband statt Synthie-Statiker

Das aktuelle Album "Sounds of the Universe" ist ein gereiftes Werk, das die bevorzugten Themen Melancholie, Schmerz und Leid leiser und unpathetischer abhandelt, als man das von den Synthie-Pop-Veteranen gewohnt ist. Auf der Bühne gelten aber andere Spielregeln: Gahan hat seine Artistik mit dem Mikrofonständer perfektioniert und lässt vergessen, dass er sich altersmäßig der 50 nähert. Depeche Mode haben zudem ein Potpourri der größten Ohrwürmer ihrer 29-jährigen Bandgeschichte mitgebracht - angesichts der großen Auswahl können sie es sich sogar leisten, Perlen wie "Master and Servant" und "Strangelove" nicht zu spielen.

Wären da nicht die Balladen des lange Jahre alleinigen Songwriters Gore, man könnte glauben, auf dem Konzert einer Rockband zu sein. Das unterscheidet die Briten auch von anderen überlebenden Elektro-Pionieren wie den Pet Shop Boys und Kraftwerk, die auf der Bühne eher statisch agieren. Die mitunter verspielten Sound-Tüfteleien lassen sich bei der Live-Band Depeche Mode nur erahnen.

Dave Gahan - Jesus-ähnliche Gestalt

Bei "Enjoy the Silence", dem Lieblingssong eingefleischter Depeche Mode-Fans, nimmt Gahan den Text wörtlich: "Words are very unnecessary". Er lässt das Publikum singen, das den Inhalt in- und auswendig kennt. Es ist jener Moment bei dem unweigerlich Gänsehäut-Feeling aufkommt. Gahan ist dann nicht mehr der Mann da oben, der die Massen besingt. Er ist einer von ihnen - er ist ihr "Personal Jesus".

Mit diesem Song endet das Konzert auch, womit sich der Kreis schließt. Gahan hat sich seiner Fesseln entledigt und ist zu jener huldigungswürdigen Jesus-ähnlichen Gestalt geworden, die in dem 90er-Jahre-Hit eigentlich kritisiert wird. Gahan lässt seinen Fans gar keine Wahl: "I'll make you a believer".

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