„Planeten der Affen“: Menschenaffen gegen die Bestie Mensch

Schwer und ehrfurchtgebietend: „Planet der Affen: Survival“ hält Stimmung und Spannung konstant.
Schwer und ehrfurchtgebietend: „Planet der Affen: Survival“ hält Stimmung und Spannung konstant. (c) 20th Century Fox
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Im dritten Teil der gravitätischen Blockbusterserie um die Entstehung des „Planeten der Affen“ spitzt sich der Konflikt zwischen Primaten und Homo sapiens empfindlich zu. Das Tier wird dabei immer mehr zum Menschen – und vice versa.

Wer hätt's gedacht: Heimlich, still und leise hat sich die Kinofortsetzung der „Planet der Affen“-Saga zur vielleicht intelligentesten Blockbuster-Reihe der Gegenwart entwickelt. Schon Rupert Wyatts „Rise of the Planet of the Apes“ (2011) überraschte mit emotionalem Gewicht und erzählerischer Stringenz, die man im Zeitalter von „Transformers“ gar nicht mehr gewohnt war. Und schuf mit dem computeranimierten Schimpansen Caesar – verkörpert vom Gollum-Darsteller und Motion-Capture-Meistermimen Andy Serkis – einen der markantesten Filmhelden der Digitalära.

„Cloverfield“-Regisseur Matt Reeves setzte mit „Dawn of the Planet of the Apes“ (2014) noch eins drauf, hievte den Stoff (in Einklang mit dem Namen des Oberaffen) in nahezu Shakespeare'sche Sphären, machte daraus Polit-Drama über Krieg und Frieden, Gut und Böse, Macht und ihren Preis. „War for the Planet of the Apes“, der dritte und jüngste Teil (deutscher Verleihtitel: „Planet der Affen: Survival“), bleibt dieser Linie treu. Auch er ist wuchtig, schwer und ehrfurchtgebietend – wie ein Gorilla im Nebel.

Anführer Caesar will die Ko-Existenz

Reeves' neues Werk setzt etwa zwei Jahre nach den Ereignissen seines Vorgängers an. Nach wie vor herrscht Krieg zwischen den letzten Menschen und ihren evolutionären Verwandten, die ein für Homo sapiens tödliches Virus mit höherem Erkenntnisvermögen versehen hat. Im Gegensatz zu seinem dunklen Widerpart Koba, der im zweiten Film ein böses Ende fand, strebt Anführer Caesar nicht nach dem Primat der Primaten – er will eine friedliche Ko-Existenz beider Spezies sicherstellen. Doch ein mysteriöser Colonel (Woody Harrelson) macht gnadenlos Jagd auf ihn und ist nicht an Verhandlungen interessiert.

„War“ beginnt titelgemäß wie ein Kriegsfilm – und zwar aus Menschenperspektive. Soldaten schleichen durch den Dschungel, auf ihren Helmen prangen Schriftzüge wie „Monkey Killer“ und „Bedtime for Bonzo“ (eine gewitzte Anspielung auf eine 50er-Schimpansenkomödie mit Ronald Reagan). Vietnam scheint nicht weit: Immer wieder zapft Reeves das Bildreservoir der (Kriegs-)Geschichte an, um seiner Arbeit eine seriös-realistische Note zu verleihen. Die Kampfeinheit will ein feindliches Nest ausheben – doch Gorilla-Guerillas schlagen ihnen ein Schnippchen.

Danach wechselt das Narrativ auf die Affenseite, gerät zu einer Art Western: Als Caesar bei einer Attacke schwere Verluste erleidet, macht er sich mit ein paar Compadres auf die Suche nach dem Colonel, um ihren Zwist aus der Welt zu schaffen. Hoch zu Ross, mit umgehängtem Gewehr und Revolverheldenmiene durch die Natur trabend könnte man ihn fast mit Clint Eastwood verwechseln – schließlich hatte dieser früher auch etwas mehr Haare im Gesicht. Irgendwann führt die Reise durch Schneelandschaften und verlassende Dörfer mitten ins Herz der Finsternis: Ein Affenarbeitslager, vom Colonel und seinen Mannen mit eiserner Hand geführt. Dort wird die zentrale Ironie der Reihe offenkundig – während die Affen von Film zu Film menschlicher (und moralischer) werden, verkommen die Menschen langsam aber sicher zu Ungeheuern.

Harrisons verstockter Militär – mit rasiertem Kopf, wahnhaftem Blick und Hundsmarke um den Hals – gemahnt dabei nicht nur an Marlon Brandos Colonel Kurtz aus „Apocalypse Now“. In seiner Figur bündeln sich Merkmale zeitgenössischer Fundamentalisten jeder Fasson. Er führt einen „Heiligen Krieg“ gegen die Affenbrut, predigt vor US-Flagge die Auslöschung des Widersachers, lässt zur Abwehr eine große Mauer errichten. Entweder wir oder sie: Absolute Feindschaft als Philosophie des Untergangs.

Kreuzigungen: Ecce hominid!

Natürlich ist das alles ziemlich plakativ, auch ästhetisch. Die Versumpfung der Vernunft, das bedeutet Regen, Matsch und eine graublaugrüne Farbpalette, als hätte man den Bildern Tarnkleidung übergestreift. Wer im Lager die Arbeit verweigert, wird ans Kreuz gehängt: Ecce hominid. Pathos kommt schnell und billig. Der Sci-Fi-Überbau ermöglicht Reeves den Einsatz von Kunstgriffen, die man in fast jedem anderen Kontext als plump abtun würde, Zeitlupentode und effekthascherische Widerstandsgesten wie aus dem „Les Misérables“-Musical. Aber die Konsequenz, mit der er sich zum Ernst der Sache bekennt (der hier im Unterschied zu manch einem anderen Düster-Buster nicht bloß Bierernst ist), die Souveränität seines gemessenen Stils – das imponiert.

Dass „War“ Stimmung und Spannung konstant hält, ebenso. Dabei reißt der Film viele Motive an, die Raum für Entfaltung bieten: Primaten, die sich den Menschen freiwillig anschließen, obwohl sie von diesen wie Sklaven behandelt werden. Oder den Stellenwert von Sprache in all ihren unterschiedlichen Ausprägungen: Mit wenigen Ausnahmen kommunizieren die Affen per (untertitelten) Handzeichen. Ein stummes Mädchen, das sie unterwegs aufklauben, hilft ihnen gerade kraft ihrer Unfähigkeit, sich verbal auszudrücken, die Menschen besser zu verstehen. Eine weitere Stärke des Films ist die nuancierte Performance von Andy Serkis, ein Höhepunkt seiner Karriere. Allerdings stiehlt ihm sein Kollege Steve Zahn fast die Show, in der Rolle eines ängstlichen alten Zoo-Schimpansen, der als einziger Affe im Film Kleidung trägt. Zu Beginn findet man das noch lustig. Doch am Ende hat man sich bereits daran gewöhnt. Und der Begriff Menschenaffe nimmt eine neue Bedeutung an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2017)

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