Der Kampf gegen Extremismus soll effizienter werden

Die umstrittenen Koranverteilungen wurden bereits eingedämmt; mit einem neuen Netzwerk setzen Ministerien auf noch mehr Prävention.
Die umstrittenen Koranverteilungen wurden bereits eingedämmt; mit einem neuen Netzwerk setzen Ministerien auf noch mehr Prävention. (c) Stanislav Jenis
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Sieben Ministerien sowie NGOs bilden ein neues Netzwerk gegen Radikalisierung. Das geplante Aussteigerprogramm setzen die Vereine Neustart, Derad und die Beratungsstelle Extremismus um.

Wien. In Österreich ist die Zahl der Menschen, die sich radikalen islamistischen Terrorgruppen anschließen, hoch. 296 Personen haben sich etwa bis Ende 2016 als „Foreign Fighters“ radikalen Organisationen wie dem IS angeschlossen – oder hatten das vor. Besonders jene 90, die von dort wieder zurückgekehrt sind, und jene 51, die zuvor an der Ausreise gehindert werden konnten, sieht der Verfassungsschutz als Gefahr für die Sicherheit in Österreich. Um den Kampf gegen Extremismus und seine Prävention effizienter zu gestalten, haben sich nun sieben Ministerien und verschiedene Organisationen zu einem österreichweiten Netzwerk zusammengeschlossen.

Das Bundesweite Netzwerk Extremismusprävention und Deradikalisierung, wie die Vereinigung etwas kompliziert heißt, wird vom Innenministerium koordiniert und soll alle acht Wochen tagen.

Laut Unterlagen, die der „Presse“ vorliegen, besteht das Netzwerk abgesehen vom Innenministerium aus Vertretern des Bundeskanzleramts, des Justiz-, des Familien-, des Bildungs-, des Außen- und des Sozialministeriums. Ebenfalls mit dabei sind zivile Organisationen, die sich bereits mit dem Extremismus-Thema befassen: der Bewährungshilfeverein Neustart sowie der Verein Derad, der sich schon jetzt um die Deradikalisierungsarbeit in den heimischen Gefängnissen kümmert, und der Verein Frauen ohne Grenzen. Weiters dabei ist die Beratungsstelle Extremismus, die eine erste Anlaufstelle bei Fragen zum Thema Extremismus ist, die Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft, das Wiener Netzwerk Deradikalisierung und Prävention sowie das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes.

Das Netzwerk soll dabei die Koordination, Steuerung und Abstimmung der bundesweiten Maßnahmen zur Extremismusprävention übernehmen. Ein wichtiges Projekt ist dabei das geplante Ausstiegsprogramm für Extremisten, das vom Innenministerium bereits angekündigt wurde. Dafür wird auch mit den zuständigen Referaten (Jugend und Integration) in den Ländern kooperiert. Weiters soll das Netzwerk einen interdisziplinären Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis bei den Themen Radikalisierung und Prävention fördern, bestehende Gremien in die Präventionsarbeit einbinden und einen jährlichen Präventionsgipfel organisieren.

Pilotphase von einem Jahr

Das Ausstiegsprogramm selbst soll laut Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) im Herbst präsentiert werden. Nach Informationen der „Presse“ soll es sich in einer einjährigen Pilotphase nur auf Aussteiger aus dem islamistischen Extremismus konzentrieren. In der Probezeit wird das Projekt wissenschaftlich evaluiert. Ist es erfolgreich, wird es auch auf andere Formen des Extremismus erweitert.

Mittlerweile stehen auch die Betreuer der Aussteiger fest. Die Vereine Neustart und Derad sowie die Beratungsstelle Extremismus werden das Aussteigerprogramm umsetzen und mit den Betroffenen arbeiten – diese drei Organisationen stellen das Fallplanungsteam des Programms.

Fallmanager für Aussteiger

Das heißt, die Organisationen erstellen individuelle Betreuungspläne für die Aussteiger. Jeder Betroffene bekommt einen Fallbetreuer. Dieser muss laufend an ein Team über den Fortschritt der Person berichten. Der Verein Neustart wollte auf Nachfrage der „Presse“ noch keine näheren Informationen nennen. Das Innenministerium bestätigte auf „Presse“-Anfrage die Informationen grundsätzlich, verwies für weitere Details aber auf die laufenden Vorbereitungen. Nähere Informationen soll es erst geben, wenn die Arbeiten abgeschlossen sind.

AUF EINEN BLICK

Aussteiger. Sieben Ministerien kooperieren mit NGOs und anderen Organisationen für das neue bundesweite Netzwerk gegen Extremismus. Das geplante Aussteigerprogramm wird im Herbst 2017 starten und von den Organisationen Derad, Neustart und der Beratungsstelle Extremismus umgesetzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2017)

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