SPÖ-Bundesparteirat

Kern hemdsärmelig gegen „Popstar-Casting“

„Richtungsentscheidung am 15. Oktober“: Bundeskanzler Christian Kern lässt sich beim Bundesparteirat der SPÖ in der Messe Wien feiern.
„Richtungsentscheidung am 15. Oktober“: Bundeskanzler Christian Kern lässt sich beim Bundesparteirat der SPÖ in der Messe Wien feiern.(c) APA/ROLAND SCHLAGER
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Kanzler Christian Kern versucht, die Delegierten zu motivieren. Sebastian Kurz ist als Hauptkontrahent allgegenwärtig.

Der Einzug ist nicht besonders pompös, aber das würde auch nicht zur aktuellen Stimmung passen: Christian Kern zieht in die nüchterne Messehalle am Prater ein, seine Frau, Eveline, an der Seite, das Regierungsteam im Rücken, die applaudierenden Delegierten um ihn herum. Im Hintergrund läuft Justin Timberlakes „Can't Stop the Feeling“, und das Gefühl in der SPÖ ist derzeit noch: Es läuft nicht. Das soll dieser Tag, der Bundesparteirat, ändern. Die Partei beschließt ihre Wahlliste und ihr Wahlprogramm. Vor allem aber will sie nach einigen Startschwierigkeiten endlich motiviert den Wahlkampf beginnen.

Die Rede von Kanzler Kern ist also nicht an die Bevölkerung gerichtet. Nicht hauptsächlich zumindest. Sondern an seine eigenen Leute: 344 ordentliche Delegierte und 300 Gäste sind immerhin zu diesem Parteirat, also einer Art Miniparteitag, gekommen. Und die gilt es für die kommenden Wochen einzustimmen. Betont locker, mit aufgekrempelten Hemdsärmeln und ohne Sakko („Ich habe die Hüllen fallen lassen“), versucht er sie also zu motivieren. Und das macht er vor allem mit zwei Botschaften. Nummer eins: Schwarz-Blau muss verhindert werden. Nummer zwei: Die Sozialdemokratie und ihre Werte sind auch in Zeiten wie diesen besonders wichtig.

Es fällt auf, dass Kern und die SPÖ den Auftritt samt Rede nicht auf seine Person maßschneidern. Sondern ein Wir-Gefühl der Partei erzeugen wollen. Das ist auch eine Reaktion auf Sebastian Kurz, der die ÖVP als Bewegung positionieren will und sich selbst als klaren Anführer. Das muss man aus Kerns Ansprache nicht herauslesen, er spricht das direkt an.

Nicht dafür schämen, Partei zu sein

Das klingt dann so: „Wir müssen nicht erst im September ein Programm vorlegen“, sagt Kern. Man brauchte auch kein „Popstar-Casting für die Kandidaten“. Und: „Wir müssen nicht Inserate schalten, um den Menschen vorzugaukeln, neu zu sein.“ Nachsatz: „Wir sind nämlich nicht neu.“ Alle Menschen seien gleich und haben das gleiche Anrecht auf ein gutes Leben: Dafür stehe die SPÖ. Man müsse sich also nicht schämen, eine Partei zu sein.

Ganz allgemein ist der Hauptgegner Kerns, also Kurz, an diesem Tag omnipräsent: „Wenn Sie zu jenen gehören, denen ein Millionenerbe wichtiger ist als die Frage, wie Millionen Menschen leben sollen, dann wählen Sie lieber die Schwarztürkisen und die Blauen.“ Sonst – erraten: SPÖ.

Kern nimmt in seiner Rede auch Anleihen an den Wahlkampf von Bundespräsident Alexander Van der Bellen: „Der 15. Oktober ist eine Richtungsentscheidung, und zwar weit über die Legislaturperiode hinaus.“ Es gehe um Hoffnung oder Angst, ein offenes Österreich oder eine nationalistische Abschottung. Der Kampf sei hart, aber welcher Kampf sei das nicht. Und: „Ich werde kämpfen. Und ich frage euch: Was ist mit euch? Werdet ihr mit mir rennen? Werdet ihr mit mir gemeinsam für diese Menschen kämpfen?“ Dafür gibt es den meisten Applaus – und ein paar kleine Österreich-Fahnen werden dazu auch geschwenkt (im Anschluss gibt es ein Public Viewing des Fußballsemifinales). Am Ende der Rede kommen Standing Ovations hinzu.

„Schon bessere Verarschung gehört“

Noch direkter bei seinen Angriffen auf Kurz wird übrigens der Wiener Bürgermeister, Michael Häupl. Und zwar in seiner gewohnt deftigen Manier: „Ich habe von der ÖVP gehört, dass sie ihr Programm am 28. September präsentieren wollen. Unter uns gesagt: Ich habe schon eine bessere Verarschung gehört.“ Jemand, der den Kanzleranspruch stelle, könne jedenfalls nicht zu allen Themen schweigen. „Herr Bundesminister, was sagen Sie zur Wirtschaftspolitik? Zu Innovation? Zu Bildung?“, fragt er den abwesenden Kurz. Die Antwort liefert Häupl den Delegierten gleich mit: „Ich habe nichts gehört, auch nichts Negatives. Meine Güte, das wäre ja auch schon eine Leistung.“ Das Einzige, bei dem sich Kurz positioniere, sei bei der Schließung der Mittelmeerroute. Häupl dazu: „Niemand von uns hindert ihn daran. Das ist seine Hack'n, dann soll er es tun.“

Ein Kanzler Kurz, ein Vizekanzler Heinz-Christian Strache, das wäre für Häupl jedenfalls „eine Horrorvision“. Also sagt er den Delegierten: „Wer jetzt noch nicht genug Motivation für den Wahlkampf hat, soll einmal darüber nachdenken.“

Und was sagen die SPÖ-Mitglieder selbst zur Lage ihrer Partei? Schwamm drüber. Das ist zumindest die Stimmung bei einem Gutteil der Delegierten beim Bundesparteirat. Reibereien in der Parteizentrale, erlahmter Wahlkampf, alles soll ab nun vergessen sein. „Ab heute starten wir durch“, trommelt FSG-Bundessekretär Willi Mernyi, „ab heute ist ganz klar – Wahlsieg!“ Er sei selbst „in vielen Buden“, da sei die Stimmung anders, als sie von Wien gesehen werde. Kern sei „eine tolle Person“, assistiert Edeltraud Kubicek, SPÖ-Bezirksfrauenchefin von Urfahr-Umgebung.

Umfragen, die Kurz vorn sehen, wird bewusst kein besonderer Glauben geschenkt. Melanie Erasim, Nationalratskandidatin aus dem Weinviertel, vertraut auf die Inhalte, die den Menschen wichtig seien, wie der Mindestlohn. „Ich denke, dass aus heutiger Sicht alles offen ist“, prophezeit sie

Diese Stimmung will man auch beibehalten. Also geht Kern nach seiner Rede noch einmal auf die Bühne: „Ich habe am 15. Oktober schon ein größeres Partyzelt gemietet. Also: Machen wir weiter!“ Zuvor erinnert er die Delegierten mehrere Male: „Ja, es ist Wahlkampf.“ Man merke es „an den schönen Plakaten, in die viel Geld fließt, um Illusionen aufzubauen.“ Am Ende gehe es aber um Inhalte, um konkrete Interessen. „Lassen Sie sich von der Fassade nicht ablenken.“ Zumindest bei der Abstimmung folgen die Delegierten ihrem Vorsitzenden: Die Bundesliste wird mit 92 Prozent angenommen, das Wahlprogramm gar mit 100 Prozent.

„Ja, es ist Wahlkampf“

Diese Stimmung will man auch beibehalten. Also geht Kern nach seiner Rede noch einmal auf die Bühne: „Ich habe am 15. Oktober schon ein größeres Partyzelt gemietet. Also: Machen wir weiter!“ Zuvor erinnert er die Delegierten mehrere Male: „Ja, es ist Wahlkampf.“ Man merke es „an den schönen Plakaten, in die viel Geld fließt, um Illusionen aufzubauen.“ Am Ende gehe es aber um Inhalte, um konkrete Interessen. „Lassen Sie sich von der Fassade nicht ablenken.“ Zumindest bei der Abstimmung folgen die Delegierten ihrem Vorsitzenden: Die Bundesliste wird mit 92 Prozent angenommen, das Wahlprogramm gar mit 100 Prozent.

Ein kleiner Parteitag

SPÖ-Bundesparteirat. Oberstes Entscheidungsgremium in der SPÖ ist der SPÖ-Bundesparteitag – nimmt man Urabstimmungen unter den Parteimitgliedern aus. Der SPÖ-Bundesparteirat ist ein sogenannter „kleiner“ Parteitag mit ungefähr der Hälfte der Delegierten eines Parteitags. Beim gestrigen Bundesparteirat in der Wiener Messe waren knapp 350 Delegierte geladen. Vom SPÖ-Bundesparteirat werden die Bundesliste vor Wahlen (Nationalrat, Europaparlament) und das Wahlprogramm beschlossen. Der Beschluss erfolgt dabei über Vorschlag des SPÖ-Bundesparteivorstandes.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2017)

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