Christian Kern: Runde zwei für den ''Slim-Fit-Kanzler''?

Zehn Jahre als Politiker hat Christian Kern für sich vorgesehen. Das sagte er bei seinem Einzug ins Bundeskanzleramt im Mai 2016 – und er wiederholt es nach wie vor. Das bedeute, er würde nach der Nationalratswahl auch die Oppositionsbank drücken, lieber wäre dem SPÖ-Bundesparteivorsitzenden und früheren ÖBB-Manager aber freilich eine zweite Amtszeit als Regierungschef - respektive "Slim-Fit-Kanzler", wie er aufgrund seiner akkurat Kleidungswahl mitunter genannt wird.

Seine ersten offiziellen Schritte am heimischen Polit-Parkett tat Kern im Mai 2016, als er Werner Faymann nicht nur als SPÖ-Bundesparteichef, sondern auch als Bundeskanzler beerbte. Zuvor hatte er sich als Manager bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) einen Namen gemacht, insbesondere, als er während der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 die Beförderung Tausender organisierte – und scharfe Kritik an der Bundesregierung geübt hatte. So sagte er damals u.a. in einem "Presse"-Interview: "Wenn die Hilfsorganisationen ähnlich agiert hätten wie manche Behörden, dann hätten wir weit größere Probleme gehabt."

Als Kern letztlich zusagte, die SPÖ zu führen, galt er so manchem Genossen als eine Art Heilsbringer – und das, obwohl er für Positionen eintritt, für die sein Vorgänger wohl mit Rücktrittsaufforderungen überhäuft worden wäre. Stichwort: Studienplatzbeschränkungen oder Arbeitszeitflexibilisierung. Auch, dass er rasch nach seinem Amtsantritt einem Treffen sowie einer öffentlichen Diskussion mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zusagte, gehörte bis dahin nicht unbedingt zum Kanon der österreichischen Sozialdemokratie.

Zur anfänglichen positiven Stimmung beigetragen hat sicherlich auch das Talent zur Inszenierung des gebürtigen Wieners. So mag sein Ausflug als „Pizzaboy“ im Schnitzelland Österreich manchen ein wenig aufgesetzt gewirkt haben, funktioniert hat die Aktion aber, wie sich an den Zugriffszahlen zum Begleitvideo leicht ablesen lässt. Die Parteilinke erfreute er wiederum mit einer Rede bei der Regenbogen-Parade.

Sein "Plan A", der inhaltlich einige rote Zöpfe abschneidet, war so gut getimt (und medienwirksam in der Messehalle Wels vorgestellt), dass Kern der ÖVP in der Folge sogar eine Reform des Regierungsabkommens abtrotzen konnte, freilich mit auffällig vielen tendenziell schwarzen Inhalten.

Im Verlauf des Sommers wurde der Plan zum offiziellen 209-seitigen Wahlkampfprogramm der SPÖ aufgewertet. Einige Eckpunkte: Für Unternehmen sollen die Lohnnebenkosten um 500 Euro sinken, Löhne bis 1500 Euro sollen steuerfrei sein, Kürzungen der Pensionen soll es nicht geben, dafür verschärfte Steuerregeln für Konzerne, ebenso eingeführt werden soll eine Erbschaftssteuer ab einer Million Euro.
Dazu gab es einen provokanten Slogan (am entsprechenden Plakat illustriert mit Kern in Uncle-Sam-Manier): "Holen Sie sich, was Ihnen zusteht."

Eher ungeschickt agierte Kern dagegen am internationalen Parkett. Zuerst befeuerte er den parteieigenen Widerstand gegen das Handelsabkommen Ceta sogar mit einer Art Urabstimmung, ließ eine Blockade auf EU-Ebene dann aber doch flott sein. Eigenwillig war auch Kerns Blockade der Aufnahme jugendlicher Flüchtlinge, die er europäischen Vorgaben geschuldet ebenfalls rasch aufgeben musste.

Generell gilt Kern als pragmatisch, aber auch als jemand, der gerne die Kontrolle behält. Zugestanden wird ihm von Weggefährten außerdem, dass er zuhören könne. Der gebürtige Simmeringer, der eher so spricht, als wäre er auf Schloss Schönbrunn groß geworden, könne sich auf Gesprächspartner gut einstellen und sei ein versierte Netzwerker, heißt es. Er selbst beschreibt sich als Optimisten, wie zuletzt im Ö3-Sommergespräch: "Ich neige dazu, negative Emotionen nicht vor mir herzutragen, sondern Leute zu motivieren." Und: "Ich bin jemand, der mit seinem Schicksal im Reinen ist."
(Bild: Kern mit Ehefrau Eveline Steinberger-Kern am Villacher Kirchtag)

Aufgewachsen ist Kern in den 1960er-Jahren in einem eher unpolitischen Haushalt als Sohn einer Sekretärin und eines Elektroinstallateurs im Arbeiterbezirk Wien-Simmering, wie der Fußballfan auch in einem eigens produzierten Wahlkampf-Video verriet. "Es gab viel Liebe und wenig Geld", schilderte er darin - private Fotos inklusive.
Dann heuerte Kern, der jung Vater von drei Söhnen wurde und diese eine Zeit lang auch allein erzog (mittlerweile hat er auch eine Tochter), bei einer Grün-Gruppierung an.

Bald fand Kern, der einst Schulsprecher an jenem Gymnasium war, das auch Viktor Klima und Thomas Klestil besucht hatten, dann über den VSStÖ zur SPÖ. Dort wurde der studierte Kommunikationswissenschafter und Absolvent eines postgradualen Lehrgangs im Schweizer St. Gallen Büroleiter und Pressereferent für den damaligen Beamten-Staatssekretär und späteren Klubobmann Peter Kostelka.

Pressesprecher sollte aber nicht Kerns Lebensaufgabe werden. Er wechselte in den Verbund als nach Eigendefinition "siebenter Zwerg von links", turnte sich aber von Funktion über Funktion bis hinauf in den Vorstand. Von dort weg engagierte ihn die damalige Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) als ÖBB-Sanierer. Dass er den Job erledigte, dankte ihm seine Mentorin jedoch eher weniger. Die enge Vertraute von Ex-Kanzler Faymann befand 2014 in einem Interview, dass Kern wohl ein "nicht so guter Politiker" wäre.

Privat ist Kern in zweiter Ehe mit der früheren Verbund-Kollegin Eveline Steinberger verheiratet. Er geht zur Jagd, ist begeisterter Läufer, Tennisspieler sowie Mountain-Biker - und bespielt nebenher auch die sozialen Netzwerke Facebook, Twitter und Instagram. Seine fußballerische Leidenschaft ist die Wiener Austria, in deren Kuratorium er auch sitzt – wie auch (FSG-und Austria-Chef) Wolfgang Katzian, (Wiens Bürgermeister) Michael Häupl und (Pensionisten-Chef) Karl Blecha.

Zur Person:
Christian Kern, geboren am 4. Jänner 1966 in Wien. Vier Kinder aus zwei Ehen. Studierter Kommunikationswissenschafter. Ab 1991 Assistent des damaligen Staatssekretärs Kostelka, ab 1994 dessen Büroleiter als Klubobmann. 1997 Wechsel in den Verbund, ab 2007 dort Vorstandsmitglied. Ab Juni 2010 Chef der ÖBB sowie ab 2014 Vorsitzender der Gemeinschaft europäischer Bahnen. Seit 17. Mai 2016 Bundeskanzler, seit 25. Juni 2016 SPÖ-Vorsitzender.