Venezuela: Die Militärrebellion, die gar keine war

In Valencia, der drittgrößten Stadt Venezuelas, kam es zu Protesten und einem Angriff auf eine Militärbasis.
In Valencia, der drittgrößten Stadt Venezuelas, kam es zu Protesten und einem Angriff auf eine Militärbasis.APA/AFP/RONALDO SCHEMIDT
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Eine kleine uniformierte Gruppe hat eine Militärbasis angegriffen, will das aber nicht als "Staatsstreich" verstanden wissen. Die Regierung nennt das "Terroranschlag", sie ist selbst eng mit dem Militär verflochten.

Für ein Land mit 30 Millionen Einwohnern leistet sich Venezuela außergewöhnlich große Streitkräfte: Rund 365.000 Menschen stehen unter Waffen, wie unabhängige Experten schätzen. Damit sind Venezuelas Streitkräfte fast so groß wie jene des benachbarten Riesenlands Brasilien, das sieben Mal mehr Einwohner hat.

Ihre Waffen beziehen die venezolanischen Streitkräfte vor allem aus Russland und China, die von Maduros Amtsvorgänger Hugo Chavez zu "strategischen Verbündeten" erklärt worden waren. Das frühere Partnerland USA hatte 2006 ein Waffenembargo gegen die sozialistische Regierung in Caracas verhängt.

Russland belieferte Venezuela nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Control Ciudadano mit Panzern und anderen Militärfahrzeugen, Militärjets, Panzerabwehr- und Luftabwehrsystemen, Gewehren und Munition. China stellte Fahrzeuge, Flugzeuge, Hubschrauber, Radarsysteme, Uniformen und Kommunikationsgerät zur Verfügung.

Überfall auf Militärbasis

Nach Angaben der Regierung überfiel eine Gruppe von uniformierten Männern Sonntagfrüh den Militärstützpunkt Paramacay. Den loyalen Streitkräften sei es gelungen, den Angriff abzuwehren. Laut Maduro wurden dabei zwei der Angreifer getötet. Bei der Attacke seien unter anderem 93 russische Sturmgewehre und vier Granaten gestohlen worden. Von den zehn Angreifern seien neun Zivilisten und nur einer ein 2014 desertierter Oberstleutnant gewesen. Dieser habe flüchten können.

In einem online gestellten Video war am Sonntag ein Mann zu sehen, der sich selbst als Kommandant Juan Caguaripano bezeichnete und umringt von rund 15 militärisch gekleideten und teils bewaffneten Männern eine "rechtmäßige Rebellion" ausrief. Er forderte die "sofortige Bildung einer Übergangsregierung und freie Wahlen". "Wir stellen klar, dass dies kein Staatsstreich ist. Es handelt sich um eine Aktion von Bürgern und Militärs, um die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen", erklärte Caguaripano, nach eigenen Angaben ein früherer Offizier der Nationalgarde.

Maduro beschuldigte den Ex-Offizier und seine Mitstreiter, im Sold der Rechten und der USA zu stehen. Seit seiner Desertion habe er in verschiedenen lateinamerikanischen Ländern und in den USA gelebt.

Streitkräfte sprechen von "Terrorangriff"

Die Streitkräfte (FANB) erklärten in einem Kommuniqué, dass es einen Terrorangriff auf die Militärbasis Paramacay durch eine Gruppe "ziviler Krimineller in Militäruniformen" gegeben habe. Der Angriff habe zurückgeschlagen werden können, es habe mehrere Festnahmen gegeben. Die Angreifer hätten gestanden, von Aktivisten der extremen Richten mit Verbindungen zu ausländischen Regierungen angeworben worden zu sein.

Der Vorfall ereignete sich im bevölkerungsreichsten und geschichtsträchtigen Bundesstaat Carabobo. Auf seinem Territorium fand 1821 unter dem Kommando von Simon Bolivar die entscheidende Schlacht von Carabobo im Unabhängigkeitskrieg gegen die Spanier statt.

Armee auch in der Regierung

In Maduros Venezuela überschneiden sich die Führungsränge von Armee und Regierung. Zwölf der 32 Minister in seinem Kabinett sind Militärangehörige, zehn von ihnen im aktiven Dienst. Eine Schlüsselstellung hat General Vladimir Padrino: Er ist nicht nur Verteidigungsminister, sondern seit vergangenem Jahr auf Geheiß des Präsidenten auch "Superminister", dem gegenüber die anderen Kabinettsmitglieder rechenschaftspflichtig sind.

Auch andere Kernressorts sind in Händen von Militärs - etwa Inneres, Energie, Justiz und Versorgung. Die Opposition wirft der sozialistischen Führung eine politische Instrumentalisierung der Streitkräfte vor. "Der schlimmste Fehler von Chavez war es, die Militärs aus den Kasernen zu holen", kritisiert etwa der frühere Parlamentspräsident Henry Ramos Allup - und er stellt die Frage: "Wer führt sie wieder zurück?"

Opposition fordert Aufklärung

Das venezolanische Oppositionsbündnis MUD ("Tisch der Demokratischen Einheit") hat von Präsident Nicolas Maduro eine detaillierte Aufklärung der Vorgänge im Militärstützpunkt Paramacay bei der Stadt Valencia gefordert. Während die Regierung von einem "Terrorangriff" auf den Stützpunkt spricht, hatten im Internet Berichte über eine Rebellion von Soldaten die Runde gemacht.

In einer Erklärung von MUD hieß es am Montag unter anderem nach Angaben der Zeitung "El Nacional": "Es ist unsere Pflicht als Vertretung der überwältigenden Mehrheit im Lande, auf einer den Tatsachen entsprechenden Erklärung zu bestehen, fern der Manipulationen und dunklen Kalküle, die das Regime charakterisieren." Es gebe aber keine umfassende Untersuchung, kritisierte MUD. Gleichzeitig wurde die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung gefordert. Die Streitkräfte müssten sich an ihren entsprechenden Eid halten.

(APA)

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