"Die Volksschule traue ich wirklich allen Eltern zu"

Häuslicher Unterricht löst Probleme, macht aber viel Arbeit.

Die Pflicht, dass das Kind etwas lernt, gibt es in beiden Ländern. Während Deutschland aber darauf besteht, dass das in der Schule passieren muss („Schulpflicht“), sind die Vorgaben in Österreich etwas flexibler („Unterrichtspflicht“). Deshalb ist der „häusliche Unterricht“ hierzulande seit Jahren gang und gäbe – wenn auch in einer relativ stabil bleibenden Minderheit von Familien. In Wien sind knapp unter 300 Kinder für häuslichen Unterricht angemeldet, österreichweit dürften es um die 1000 Kinder sein.

Warum diese Zahl nicht höher ist, versteht man, wenn man sich mit Tina Partsch unterhält – Homeschooling-Aktivistin und -Praktikantin. Sie unterrichtet ihren Sohn Simon (zehn) seit der zweiten Klasse Volksschule selbst. Der Bub wollte einfach nicht in die Schule gehen, ein genauer Grund konnte nie gefunden werden, die von Psychologen vorgeschlagenen Psychopharmaka verweigerten die Eltern.

2010 schließt Simon die Grundschule ab, danach wird er – ebenfalls von zu Hause aus – eine Kooperative Mittelschule absolvieren. Für Tina Partsch, die als Lernbetreuerin vom Fach kommt, bedeutet Simons häuslicher Unterricht Arbeit, Arbeit, Arbeit. „Wir orientieren uns stark an den Dingen, die ihn interessieren. Dafür arbeite ich dann auch oft die Lernblätter um“, sagt Partsch. Der gesamte Sachunterricht wird in Mappen dokumentiert, dazu gibt es ein Englischportfolio und die Ergebnisse von Werk- und Zeichenunterricht. Zweimal in der Woche besucht Simon eine Lerngruppe. Die restliche schulische Arbeit ist über den Tag verteilt. „Es ist eine Wahnsinnsarbeit“, sagt Tina Partsch. „Aber dafür hat man eben ein glückliches Kind.“

Könnte diese „Wahnsinnsarbeit“ aber auch jemand leisten, der nicht Tina Partschs pädagogischen Hintergrund hat? „Die Volksschule traue ich wirklich allen Eltern zu“, sagt sie. „Auch noch die erste und zweite Klasse einer AHS oder KMS.“ Danach müsse man sich Hilfe holen.


Einmal im Jahr zur Prüfung. Simon hatte bisher noch nie Probleme, die vorgeschriebenen Externistenprüfungen zu bestehen, bei denen zu Hause unterrichtete Kinder einmal im Jahr ihre Kenntnisse beweisen müssen. Fällt diese negativ aus, muss die Schulstufe an einer regulären Schule wiederholt werden. Der Antrag auf häuslichen Unterricht muss jeweils vor dem betreffenden Schuljahr beim zuständigen Schulamt gestellt werden und wird auch in der Regel bewilligt. Die Gründe dafür sind manchmal religiös – islamische Familien, die ihre Mädchen nicht in die Schule schicken wollen, oder Siebenten-Tags-Adventisten –, manchmal auch geografisch begründet: etwa wenn Familien auf dem Land in ihrem Einzugsbereich keine Schule finden, die ihnen zusagt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2009)

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