Dubai: Die Vertreibung aus dem Paradies

View from the Mandarin Bar in Dubai
View from the Mandarin Bar in Dubai(c) REUTERS (SAM MORRIS)
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Der Aufstieg Dubais ist vor allem indischen Arbeitskräften zu verdanken. Jetzt ist der Wüstenstaat in der Krise – und wirft die billigen Arbeitskräfte zu Zehntausenden aus dem Land.

Sie arbeiten für ein, zwei Dollar am Tag. Wohnen in Containersiedlungen, zu sechst, zehnt, zwanzigst. Haben kaum Freizeit, um den Strand und das Meer zu genießen. In Dubai zu leben ist nicht für alle ein Vergnügen. Vor allem dann nicht, wenn man als einfacher Arbeiter den Traum anderer realisieren soll.

Dabei sind sie es, die das Emirat in den vergangenen Jahren aufgebaut haben. Die den Sand für die Palmeninsel Palm Jumeirah vor der Küste Dubais aufschütteten, das höchste Gebäude der Welt, den Burj Dubai, errichteten und das teuerste Hotel, das Burj Al Arab, bauten. Sie haben Dubai zu dem gemacht, was es heute ist.

Doch der Ausbruch der Wirtschaftskrise beendete den gigantomanischen Bauboom in dem Wüstenstaat, der in seiner besten Zeit ein Volumen von 250 Milliarden Dollar umfasste. Weil Investoren absprangen, stehen viele Baustellen still, ganze Projekte wurden auf Eis gelegt.

Seit bekannt wurde, dass die staatliche Holdinggesellschaft Dubai World ihre Kredite nicht zeitgerecht zurückzahlen kann, hat sich die Situation noch weiter verschärft. Die Holding hat Schulden in Höhe von 59 Milliarden Dollar angehäuft. Insgesamt beläuft sich das Minus des kleinen Emirats, das ungefähr die Größe des Burgenlands hat, auf 100 Milliarden Dollar.

Jetzt müssen selbst die Scheichs sparen, und das macht man in erster Linie bei den Arbeitskräften. Allein die Baufirma Nakheel, eine Dubai-World-Tochter, hat in den vergangenen sechs Monaten 12.000 Mitarbeiter entlassen.

Zusammengerechnet nehmen die Entlassungen, die eine Ausweisung aus dem Emirat mit sich bringen, die Dimension des biblischen Auszugs aus Ägypten an: In den ersten sechs Monaten dieses Jahres seien 200.000 indische Arbeitskräfte aus Dubai ausgereist, rechnet die indische Botschaft in Abu Dhabi im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“ vor. Seit September 2008 waren es laut Medienberichten insgesamt mehr als 500.000 Arbeiter, die das Emirat verlassen mussten.


Kündigung per SMS. Bei den Kündigungen ist man im Emirat wenig zimperlich. Indische Zeitungen berichten von Arbeitern, die während der islamischen Feiertage in ihre Heimat reisten und dann via SMS davon erfuhren, dass Dubai sie künftig nicht mehr benötige. Sie müssten gar nicht mehr zurückkommen, hieß es in der Kurzmitteilung, ihre Habseligkeiten schicke man ihnen per Post nach Indien zu.

Es sind vor allem Arbeiter aus dem asiatischen Subkontinent, die von der Krise in Dubai betroffen sind. Nach Schätzungen der indischen Botschaft leben mehr als zwei Millionen Inder in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Sie stellen damit etwa 40 Prozent der Gesamtbevölkerung und etwa die Hälfte der Arbeitskraft.

Verliert ein Inder seinen Job, hat das auch Auswirkungen auf die Familie in seiner Heimat. Denn die Familien der Arbeiter leben zum Großteil von den Überweisungen, die aus dem Emirat kommen. Indien ist, Daten der Weltbank zufolge, der größte Empfänger von Auslandsüberweisungen. Im Jahr 2007 wurden 27 Milliarden Dollar an indische Familien überwiesen, 2008 verdoppelte sich der Betrag nahezu auf 52 Milliarden Dollar.

Nicht selten bauen auch die Bundesstaaten auf diese Überweisungen. Im indischen Bundesstaat Kerala ist beispielsweise ein Fünftel der Staatseinnahmen auf Auslandsüberweisungen zurückzuführen. Die Krise in Dubai dürfte sich damit auf den gesamten Bundesstaat auswirken.

Der indische Finanzminister rechnet nicht mit starken Auswirkungen auf die indische Wirtschaft: Noch habe die Krise in Dubai keine unmittelbaren budgetären Auswirkungen, erklärte Pranab Mukherjee.

Kein Job, kein Aufenthalt. Wer sich als einfacher Arbeiter in Dubai verdingen will, wird meist über eine Arbeitsagentur rekrutiert, die nicht selten im Auftrag der Baufirmen agiert. Oft ist das Engagement zeitlich befristet – für die Dauer von ein, zwei oder drei Jahren. Außerdem ist Arbeit auf dem Bau nicht nur schlecht bezahlt, sondern auch teuer. Wer in den Emiraten einem Job nachgehen will, muss dafür tief in die Tasche greifen und seinem „Sponsor“ (seinem Bürgen) laufend Geld bezahlen. Nicht zuletzt als Dank dafür, dass dieser ihm den Aufenthalt überhaupt ermöglicht. Wer seinen Job verliert, wird des Landes verwiesen.

Der österreichische Außenhandelsdelegierte in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Wolfgang Penzias, glaubt, dass bisher vor allem einfache indische Arbeiter das Land verlassen hätten und künftig noch werden. „Ich könnte mir vorstellen, dass der Exodus weiter anhält.“

Was Penzias jedoch auch beobachtet: Inder, die in einer höheren Position beschäftigt seien, sind von Entlassungen weniger betroffen. Oder würden eher versuchen, in anderen Unternehmen unterzukommen. Aufgrund ihrer Qualifikation würde ihnen dies jedenfalls leichterfallen.

Für die einfachen Arbeiter ist es dagegen schwer, einen neuen Job zu finden. Das Emirat räumt ihnen im Zuge der Krise immerhin mehr Zeit ein, bevor es sie endgültig aus dem Land wirft: Ein Arbeitsloser hat künftig etwa drei Monate statt bislang vier Wochen Zeit, um nach seiner Entlassung einen neuen Job in den Emiraten zu suchen. Einen solchen finden sie nicht mehr in Dubai, sondern im benachbarten Abu Dhabi – dem nächsten Übermorgenland.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2009)

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