Donauinsel-Prozess: Afghane enthaftet

Was im Gedränge beim Donauinselfest wirklich geschehen ist, das soll die Aussage des Opfers im September klären.
Was im Gedränge beim Donauinselfest wirklich geschehen ist, das soll die Aussage des Opfers im September klären. (c) REUTERS
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Eine Studentin soll am Donauinselfest beinahe vergewaltigt worden sein. Der Angeklagte spricht von Einvernehmlichkeit – und wird am ersten Prozesstag auf freien Fuß gesetzt.

Wien. „Ein kleiner Afghane. Donauinsel, Vergewaltigung, das Übliche“, so lapidar erklärt einer der Zuschauer dieses Prozesses im Straflandesgericht einem Bekannten, warum hier eine Menschentraube wartet. Es geht schließlich um einen Fall, der nach dem Donauinselfest für einige Aufregung gesorgt hat: Nicht nur die versuchte Vergewaltigung an sich, auch die Tatsache, dass der damals 18-Jährige auf freien Fuß gesetzt wurde.

Am Dienstag stand der mittlerweile 19-jährige Hameedullah M. nun vor Gericht: Er soll am 24. Juni gegen 23 Uhr eine 21-jährige Erasmus-Studentin bedrängt, umklammert und begrapscht haben. Die Frau habe sich losgerissen, sei davongelaufen, er sei ihr hinterher, habe sie in ein Gebüsch gezerrt, sich auf sie gesetzt und – so die Aussage der Polizei – versucht, ihr das T-Shirt vom Körper zu reißen. Drei junge Polizisten in Zivil hatten das beobachtet, sie kamen der Slowakin zur Hilfe und nahmen den Mann fest. Ein klarer Fall von „Antanzen“, strafrechtlich geschlechtliche Nötigung, führt Staatsanwältin Anja Oberkofler aus, dazu eine versuchte Vergewaltigung, die gerade noch verhindert werden konnte.

Anwältin: „Besoffene G'schicht“

Der Angeklagte selbst schildert die Situation naturgemäß anders. Der Bursche, weißes Hemd, akkurate Frisur, Jeans, Turnschuhe und rastlos zappelnde Beine, verbirgt erst sein Gesicht vor den Kameras, bekennt sich in beiden Punkten der Anklage nicht schuldig. Verteidigerin Alexia Stuefer tut das Geschehen als „besoffene G'schicht“ ab.

„Das ist klassisches Studentenleben, nicht ein klassisches Sexualdelikt“, so Stuefer, die davon spricht, dass junge Leute herumgetanzt seien, man sei sich nahegekommen, das sei durchaus erwünscht, „sonst geht man ja in die Oper“. Ihr Mandant habe sich vielleicht blöd angestellt, mehr nicht, so Stuefer, die eher Fehler bei der Justiz sieht: Ihr Mandant sei erst nach Medienberichten in U-Haft gekommen. Die junge Frau sei nicht ordnungsgemäß belehrt worden, auch hätte sie ausgesagt, sich nicht genau erinnern zu können, so Stuefer, die auch noch fröhliche Facebook-Fotos des Opfers aus den Tagen nach der Tat als Argumente anführt, dass nichts passiert sei.

Hameedullah M., gebürtiger Afghane, im pakistanischen Karachi aufgewachsen, weil ihn Taliban bedroht hätten Ende 2014, Anfang 2015 via Schlauchboot und Balkanroute nach Wien gekommen, lässt die Ausführungen in den ersten Stunden mit gesenktem Kopf über sich ergehen. Und schildert dann seine Version: Er sei auf die Donauinsel gekommen, um zu tanzen, habe Wodka getrunken, vor der „Kronehit“-Bühne habe er sich der Frau genähert, „um zu tanzen, und, wenn sie einverstanden ist, sie auch zu küssen“. So gibt die Dolmetscherin seine Worte wieder. Er habe schließlich mit der Frau getanzt, sie auf den Hals geküsst, sie habe bereitwillig mitgemacht. Er habe sie am Gesäß und im Intimbereich angefasst, sie habe ihn auch geküsst, führt er auf detailreiche Nachfragen des vorsitzenden Richters, Norbert Gerstberger, aus. Ob er, aufgewachsen in einer Kultur mit strengen Restriktionen, meine, es sei ein Zeichen, dass Frauen Sex haben wollen, die sich so verhalten? Verteidigerin Stuefer räuspert sich kräftig, Richter Gerstberger formuliert um: „Wie wirkt es auf Sie, wenn Frauen in Europa leicht bekleidet tanzen?“

„Ich bin seit zweieinhalb Jahren in Österreich. Ich bin in einer Stadt aufgewachsen, ich hatte auch dort eine Freundin“, so der Angeklagte. Weiter also in seiner Version der Geschichte: Er habe abseits auf die Frau gewartet, wollte sie wieder zum Tanzen motivieren. Er habe sie küssen wollen, sie erwiderte das nicht, er meinte, „dass sie mit mir spielt“. Er habe jedenfalls nur tanzen und küssen wollen, dann sei man irgendwie – beide hatten getrunken – gefallen, eine Böschung hinunter. Dann waren die Polizisten da.

Deren Schilderung klingt jedenfalls wesentlich dramatischer: Die drei Beamten hatten sich zu dieser Bühne begeben, nachdem unbeteiligte Frauen und Security-Kräfte auf die Notlage der Frau hingewiesen hatten. 25 bis 30 Afghanen hätten nach ihr gegriffen, sie habe sich gewehrt. Diese Szenen müssten laut Polizeibericht auf Video sein, auf den vorgelegten Aufnahmen sei davon aber nichts zu sehen, so Gerstberger.

Die Frau selbst ist an diesem Dienstag nicht vor Gericht erschienen, es heißt, aus gesundheitlichen Gründen. Das Verfahren wird auf unbestimmte Zeit vertagt, dann werde die Frau einvernommen.
Unmittelbar nach dem Vorfall hatte sie erklärt, sich an nichts erinnern zu können. Speziell vom Antanzen vor der Bühne habe sie gegenüber der Polizei nichts erzählt. Ihre Schilderungen bei der Einvernahme durch die Polizei werden im Prozess vorerst nicht thematisiert.

U-Haft wird aufgehoben

Und bis zu ihrer Aussage bei der Fortsetzung des Prozesses wird der 19-Jährige auf freien Fuß gesetzt. Der Senat geht zwar von dringendem Tatverdacht aus, aber bei einem jungen und unbescholtenen Angeklagten sei nicht zwangsläufig anzunehmen, dass er erneut strafbare Handlungen begehen wird. Er muss sich nun wöchentlich bei Gericht melden, zudem wurde vorläufige Bewährungshilfe angeordnet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2017)

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