Ein vermeidbarer Millionenfehler?

Mit der enormen Höhe der Verwaltungsstrafe von 22 Mio. Euro werden Andritz-Chef Wolfgang Leitner und seine Kollegen nicht gerechnet haben.
Mit der enormen Höhe der Verwaltungsstrafe von 22 Mio. Euro werden Andritz-Chef Wolfgang Leitner und seine Kollegen nicht gerechnet haben.(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Über den gesamten Vorstand von Andritz hat die BH Murau eine 22 Mio. Euro Strafe verhängt. Doch der börsenotierte Konzern hätte eine derart hohe Strafe verhindern können, sagt Rechtsanwalt Georg Eisenberger.

Am Freitag gab Wolfgang Leitner, Chef des börsenotierten Konzerns Andritz, bekannt, dass seinen drei Kollegen und ihm eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von 22 Millionen Euro drohe. Ein hoher Betrag, der deutlich niedriger ausfallen hätte können, wie Rechtsexperten meinen. Denn Andritz hätte mit mehr Umsicht im Vorfeld verhindern können, dass alle vier Vorstände bestraft werden. Die Strafe wäre dadurch substanziell niedriger ausgefallen.

Die Vorgeschichte: Im März 2014 beschädigte eine Explosion im Zellstoffwerk Pöls einen Laugenkessel. Den Zuschlag für die Erneuerung erhielt Andritz, der Montage-Auftragswert belief sich auf sieben Mio. Euro. Der Konzern vergab den Pauschalauftrag an eine Montagegesellschaft aus Kroatien, die für den Auftrag rund 200 Arbeitskräfte beschäftigte. Ende 2016 erhielten die vier Andritz-Vorstände eine Verwaltungsstrafe wegen Verstoßes gegen das Arbeitsvertragsrechtsanpassungsgesetz und gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz. Der Bescheid ist nicht rechtskräftig, Andritz wird ihn beim Landesverwaltungsgericht Steiermark bekämpfen.

Wie kommt es zu 22 Mio. Euro?

Doch wie kann es überhaupt zu einer derart hohen Strafsumme kommen? „Hier kommen zwei Problembereiche zusammen und bewirken gemeinsam die unglaubliche Höhe der Strafe“, sagt Rechtsanwalt Georg Eisenberger (Kanzlei Eisenberger Herzog). Zum einen stellt die unberechtigte Beschäftigung jedes einzelnen Ausländers ein eigenes Delikt dar. Zum anderen können mit ein und derselben Handlung gleich mehrere Gesetze übertreten werden. „Der Gesetzgeber tendiert immer mehr dazu, bei unerwünschten Entwicklungen Mehrfachverbote zu normieren. Gleichzeitig kann nach den gesetzlichen Vorgaben jeder einzelne Vorstand oder Geschäftsführer eines Unternehmens gesondert bestraft werden“, so der Jurist.

Er erklärt an Hand eines Beispiels, wie die Behörde zu der Strafsumme kommen könnte: Andritz hat vier Vorstände. Je Gesetzesverletzung kann also die vierfache Strafe verhängt werden, was offensichtlich im vorliegenden Fall auch passiert ist. „Geht man etwa von einer Tathandlung aus, die nach vier gesetzlichen Bestimmungen verboten ist und von einer Strafhöhe von 6000 Euro (für die Strafhöhe sind die Einkommensverhältnisse der Vorstände zu berücksichtigen), wird die einzelne Tat mit 24.000 Euro bestraft. Und das gleich vier mal, bedeutet insgesamt mit 96.000 Euro. Hat Andritz eine Montagegesellschaft mit über 200 Mann beauftragt, ergibt sich eine Strafe von 20 Mio. Euro.“ Die Mehrfachbestrafung für ein und dasselbe Verhalten ist im Gesetz vorgesehen. Diese Regelungen könnten, angesichts der existenzvernichtenden Höhe, der Menschenrechtskonvention widersprechen, meint Eisenberger. Juristen kritisieren in diesem Zusammenhang auch, dass sie nicht von Gerichten, sondern von Verwaltungsbehörden verhängt werden.

Wie auch immer, eine Bestrafung aller Vorstände wäre vermeidbar gewesen, sagt Eisenberger: „Und zwar mit einer entsprechenden Bestellung eines verwaltungsstrafrechtlichen Beauftragten für Übertretungen des jeweiligen Gesetzes. Damit kann

ein

Vorstand oder

ein

leitender Mitarbeiter für die Einhaltung der jeweiligen Bestimmungen verantwortlich gemacht werden. Im Fall Andritz hätte sich so die Strafe auf ein Viertel der kolportierten 22 Mio. Euro beschränken lassen. Die Strafe betrüge dann zwar immer noch rund 5,5 Mio. Euro, aber eben um 16,5 Mio. Euro weniger.

Es gab keine Beauftragten

Auf Anfrage der „Presse“, ob Andritz verantwortliche Beauftragte bestellt hat, teilt Kommunikationschef Michael Buchbauer mit: „Andritz hat keine verantwortlichen Beauftragten bestellt.“ Die Strafandrohung resultiert aus Sicht des Unternehmens aufgrund einer „willkürlichen Umdeutung“ einer Fremdvergabe im Rahmen eines Werkvertrages in eine Arbeitskräfteüberlassung durch die Behörde.

Eisenberger ist verwundert: „Große Unternehmen bestellen üblicherweise sehr wohl solche Beauftragte.“ Für kleinere Unternehmen sei das Problem bei solchen Bestellungserklärungen, dass hohe formale Ansprüche an sie gestellt würden. „Wenn formale Fehler in den Erklärungen sind, dann gelten sie nicht“, so Eisenberger. Und wenn es zu einem Wechsel im Vorstand komme, müssen alle Erklärungen neu unterschrieben werden. „Dazu kommt, dass Bestellungen von verantwortlichen Beauftragten für Übertretungen im Bereich des Ausländerbeschäftigungsgesetztes erst ab dem Zeitpunkt wirksam sind, ab dem ,bei der zuständigen Abgabebehörde‘ die Bestellung angezeigt wurde.“ Die Beauftragung zum Verantwortlichen für Übertretungen im Bereich des Arbeitsrechtes dagegen sind beim Arbeitsinspektorat zu melden. „Abgesehen davon, dass dem Gesetz nicht zu entnehmen ist, welche Abgabenbehörde im Einzelfall überhaupt zuständig ist, kennt auch kaum jemand diese unterschiedlichen Anforderungen“, kritisiert er.

Müssen die einzelnen Vorstandsmitglieder die Millionen-Strafe aus eigener Tasche bezahlen, wenn die Instanz den Bescheid nicht aufhebt, wird sich noch so mancher fragen. Das ist sehr unwahrscheinlich. Denn der Aufsichtsrat einer AG kann beschließen, dass die Gesellschaft die Zahlung für sie übernimmt.

("undefined", Print-Ausgabe, 10.08.2017)

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