Wiener Spitäler: „Sparkurs ist völlig unrealistisch“

WARNSTREIK WIENER KRANKENANSTALTENVERBUND (KAV): SZEKERES
WARNSTREIK WIENER KRANKENANSTALTENVERBUND (KAV): SZEKERES(c) GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk
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Thomas Szekeres, Präsident der Ärztekammer, über den Sparkurs der Stadt und die Ursachen.

Wien. Im städtischen Spitalkonzern KAV steigen die Kosten massiv, während die Versorgungsleistung zurückgeht. Nun sollen Kostensteigerungen mit einem drastischen Sparprogramm eingefangen werden („Die Presse“ berichtete). Das bezeichnet Thomas Szekeres, Präsident der Ärztekammer Österreich, im Gespräch mit der „Presse“ aber als „nicht machbar“.

Während am Mittwoch Einsparungen in der Größenordnung von etwa 20 Prozent nicht dementiert wurden, ruderte der KAV am Donnerstag zurück – nachdem die Kürzungen im Wiener Spitalswesen (auch politisch) für Aufregung und Protest gesorgt hatten: Es gebe keine globale Budgetkürzung um 20 Prozent, erklärte ein KAV-Sprecher, der gleichzeitig aber Kürzungen und Sparkurs offiziell bestätigte. Die 20 Prozent, von denen medizinische Führungskräfte der „Presse“ berichtet hatten, wurden vom KAV als „überzogen“ bezeichnet. Allerdings wurden weder vom KAV noch vom Büro von Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger eine Zahl oder Größenordnung der Kürzungen genannt.

Warum nur Wien betroffen ist

Auslöser der finanziellen Turbulenzen im Wiener Gesundheitsbereich, die zu Leistungskürzungen, Gangbetten und langen Wartezeiten auf Operationen und in Ambulanzen führen, ist eine EU-Arbeitszeitregelung. Sie begrenzt die Ärztearbeitszeit auf durchschnittlich 48 Wochenstunden, während die Mediziner besser bezahlt werden müssen – womit die Kostenschere doppelt auseinandergeht: Weniger Dienstzeit bedeutet mehr ärztliches Personal, um die bestehende medizinische Versorgung halten zu können. Und die höhere Bezahlung der Ärzte, deren finanzielle Verluste durch die Arbeitszeitbeschränkung kompensiert werden, schlägt ebenso auf das KAV-Budget durch. Die Frage ist: Wieso schlägt diese Regelung derart drastisch nur in der Bundeshauptstadt durch – obwohl die EU-Verordnung naturgemäß auch für alle anderen Bundesländer gilt?

„Es geht um die sogenannte Opt-out-Regelung“, sagt Szekeres. Dadurch sind noch bis Jänner 2021 längere Arbeitszeiten möglich, wenn die Ärzte zustimmen. Wobei diese Überstunden natürlich bezahlt werden müssen. Andere Bundesländer nutzen die Möglichkeit, Engpässe mittels Opt-out-Regelung abzufangen, Wien nicht, das habe entsprechende Folgen für die Patienten, so Szekeres.

Warum Wien nicht dem Beispiel der anderen Bundesländer folgt, erklärt eine Weisung, über die „Die Presse“ im April des Vorjahres berichtete: Die KAV-Ärzte wurden angewiesen, nur mehr 40 Stunden pro Woche statt 48 Stunden zu arbeiten. Sonst würde eine Zahlungsunfähigkeit im KAV drohen.

Weiter steigende Kosten

Ursprünglich hatte der KAV betont, die Umsetzung der EU-Richtlinie sei kostenneutral. Später war laut Szekeres während der Ärzteverhandlungen von 20 Millionen Euro Mehrkosten pro Jahr die Rede: „Nun ist von 50 bis 60 Millionen Euro Mehrkosten zu hören.“ Trotzdem: Einen nochmaligen, drastischen Sparkurs in Bereichen von 20 Prozent hält Szekeres für „nicht machbar“: „Das ist völlig unrealistisch.“ Wien sei eine wachsende Stadt, jährlich würde die Bevölkerungszahl um etwa 20.000 steigen – da könne man nicht die Gesundheitsversorgung herunterfahren. „Und die Menschen werden immer älter.“ Also immer mehr betagte Menschen mit entsprechenden Krankheitsbildern. Hier seien Einsparungen unmöglich – weshalb Szekeres eine Entlastung der Ärzte von bürokratischen Aufgaben fordert, damit diese mehr bei den Patienten sein könnten.

Nebenbei: Die EU-Richtlinie, die eine Reduktion der Ärztearbeitszeit vorschreibt, wurde 2003 beschlossen. Es ist damit seit 14 Jahren bekannt, dass sie verpflichtend umgesetzt werden muss.

AUF EINEN BLICK

Der städtische Spitalskonzern KAV muss das nächste Sparpaket schnüren, Auslöser ist eine 2003 beschlossene EU-Arbeitszeitrichtlinie für Ärzte. Thomas Szekeres, Präsident der Ärztekammer Österreich, hält weitere Einsparungen im Wiener Gesundheitssystem wegen der stark wachsenden und immer älter werdenden Bevölkerung für unrealistisch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2017)

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