Friedrich Torberg im Sachertortenstreit: Nur eine Marmeladenschicht!

Fabry
  • Drucken

Der Schriftsteller, Stammgast im Sacher wie auch im Demel, musste 1961 im Rechtsstreit um die „Original Sacher-Torte“ aussagen. Seine offizielle Zeugenladung wurde nun verkauft.

„War zu Anna Sachers Lebzeiten die Sachertorte durchgeschnitten und mit Marmelade gefüllt?“ So war der Gegenstand der Vernehmung formuliert, zu der Friedrich Torberg am 25. Juli 1961 ans Wiener Handelsgericht geladen wurde. Seit Jahren hatten zu diesem Zeitpunkt die beiden Wiener Institutionen Hotel Sacher und Hofzuckerbäckerei Demel um das Markenrecht der „Original Sacher-Torte“ gestritten: Franz Sacher hatte sie 1832 in der Hofküche des Fürsten Metternich kreiert (Vorläufer gab es bereits im 18. Jahrhundert), sein Sohn Eduard hatte sie während seiner Lehrjahre beim Demel vollendet, das spätere Hotel Sacher eröffnet und dort dann auch seine Torte angeboten. Nach dem Tod von Eduards Witwe Anna Sacher (und dem Konkurs des Hotels) war Eduard Junior wieder zum Demel gewechselt – und hatte das Alleinverkaufsrecht für die Torte mitgenommen.

Die neuen Eigentümer des Sacher, der Anwalt Hans Gürtler, seine Frau Poldi und das Hotelierehepaar Josef und Anna Siller, modernisierten das Hotel und boten die berühmte Torte weiterhin an, nun auch auf im Straßenverkauf – unter der Bezeichnung „Original Sacher-Torte“, die sie als Marke eingetragen hatten. Um die Verwendung dieses Markenzeichens entbrannte ab 1938 ein Streit zwischen den beiden Häusern: Wer hatte nun Recht auf das Original?

Ein- oder zweimal "aprikotiert"?

Zentraler Unterschied der beiden Torten war – und ist bis heute – die Anzahl der Marmeladenschichten: Demels Torte war unterhalb der Kuvertüre „aprikotiert“, Sachers Version hatte zusätzlich eine Schicht in der Mitte des Kuchenbodens. Im Zuge des Rechtsstreit galt es also unter anderem auch zu klären, wie die ursprüngliche Sachertorte beschaffen war, mit einer oder zwei Marmeladenschichten? Friedrich Torberg war Stammgast in beiden Häusern und sollte als Zeuge aussagen: Die offizielle Vorladung, die er sich später eingerahmt in sein Arbeitszimmer gehängt haben soll, wurde nun um 180 Euro im Antiquariat Fritsch verkauft.

(c) Antiquariat Fritsch

Torberg gab vor Gericht zu Protokoll, dass die Original-Sachertorte zu Anna Sachers Lebzeiten nicht durchgeschnitten und nicht mit Marmelade gefüllt gewesen sei, „dass lediglich unter der Schokoladeglasur, um sie der Tortenmasse haltbar zu verschwistern, eine dünne Marmeladenschicht angebracht wurde; und dass die Torte in dieser originalen Form heute nicht von dem in andere Hände übergegangenen Hotel Sacher, sondern von der Konditorei Demel hergestellt wird“, wie er in einem Traktat („Sacher und Wider-Sacher“) in „Die Tante Jolesch“ später ausführen sollte. Er stellte sich im Tortenstreit also auf die Seite des Demel – und damit ins „Lager der Verlierer“: Denn die Sache wurde letztlich zugunsten des Hotels Sacher entschieden.

Dieses darf die Bezeichnung „Original-Sachertorte“ und das schokoladene Rundsiegel bis heute führen, im Demel wird die Torte mit einem dreieckigen Siegel geschmückt und nennt sich „Eduard-Sacher-Torte“. „Jedenfalls muss sich die verwirrte Nachwelt damit abfinden, dass es zwei Original-Sachertorten gibt,“, schrieb Torberg, „eine ursprüngliche und eine spätere, eine aus dem 19. Jahrhundert und eine aus dem zweiten Jahrzehnt des 20., und dass – was bei Originalen nicht just die Regel ist – das spätere den Vorrang vor dem früheren hat, ja die Original-Existenz des früheren geradezu auslöscht.“

"Marmelade pour marmelade"

Um Gewinn sei es in dem Streit nie gegangen, schrieb er, sondern um „eine historische Wahrheit“: „Es ist ein klassischer Fall von l'art pour l'art, von marmelade pour marmelade.“

(kanu)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.