Spanien: Streik für höhere Löhne und Proteste gegen Urlauber

Die Bewohner von Barcelona fühlen sich gestört – und stören nun ihrerseits die Touristen beim Sonnenbad.
Die Bewohner von Barcelona fühlen sich gestört – und stören nun ihrerseits die Touristen beim Sonnenbad.(c) APA/AFP/JOSEP LAGO
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Ausnahmezustand an der iberischen Urlaubsfront: Auf dem Flughafen in Barcelona wurde ein unbefristeter Streik angekündigt - mitten in der Ferienhochsaison.

Barcelona. Ausnahmezustand an der spanischen Urlaubsfront: Von heute, Montag, an wird vermutlich auf dem internationalen Airport in Barcelona, immerhin Spaniens zweitgrößtem Flughafen, das volle Chaos ausbrechen. Ausgerechnet jetzt, mitten in der Ferienhochsaison, haben die Mitarbeiter der Sicherheitskontrollen des Flughafens sogar einen unbefristeten Streik angekündigt.

Am Sonntagabend hatte sich die letzte kleine Hoffnung zerschlagen, dass das große Chaos vielleicht doch noch im letzten Moment abgewendet werden kann: Das Sicherheitspersonal lehnte Stunden vor Beginn des unbefristeten Streiks die angebotene Lohnerhöhung von 200 Euro monatlich erneut ab. Bereits am vergangenen Donnerstag war dieser Vorschlag in einem ersten Abstimmungsgang von den Arbeitnehmern abgeschmettert worden. Ein Alptraum für die hunderttausenden von Passagieren aus dem In- und aus dem Ausland, die in den nächsten Tagen vom Airport der beliebten Mittelmeermetropole in Katalonien abfliegen wollen.

Und ein weiteres Kapitel in einem Sommer, in dem die Spanier den Touristen einheizen: Aus Protest gegen die Massen, die über Städte wie Barcelona oder Inseln wie Mallorca herfallen. Dort mussten zuletzt einige Traditionslokale schließen, weil sie sich die Mieten nicht mehr leisten konnten. In Palma gibt es einen Immobilienboom. In den vergangenen sechs Monaten seien die Mietpreise für Geschäfte in der Stadt um 15 Prozent gestiegen – weil Investoren den Touristen auf die Insel folgen, heißt es von Expertenseite.

Guardia Civil soll einspringen

Daran werden auch die neuen Streiks langfristig nichts ändern – für die Urlauber, die davon betroffen sind, ist das aber wohl nur ein schwacher Trost. Schon seit Anfang August heurigen Jahres bekommen die Flugreisenden die Konsequenzen dieses Arbeitskampfes in Barcelona zu spüren, der bisher nur zu bestimmten Uhrzeiten den Betrieb lahmlegte.
Es kam zu stundenlangen Wartezeiten beim Sicherheitscheck, also dort, wo die Fluggäste den Metalldetektor passieren müssen und das Handgepäck geröntgt wird. Viel Unmut bei den Reisenden und im Extremfall auch verpasste Flüge waren die Folge dieser Maßnahmen. Dies könnte von Montag an, wenn die Mitarbeiter der privaten Sicherheitsfirma ihren Nonstop-Streik beginnen wollen, jetzt noch schlimmer werden.

Den Passagieren wird deswegen empfohlen, sehr frühzeitig auf dem Flughafen in Barcelona zu sein. Viele große Airlines wie etwa Lufthansa, Swissair, Ryanair, Norwegian und Easyjet wollen ihre Abfertigungsschalter durchgehend offen halten, damit die Fluggäste rechtzeitig einchecken können und dann genug Zeit für die Sicherheitskontrollen haben. Spaniens Airport-Betreiber Aena empfiehlt allen Reisenden, sich im Zweifelsfall bei ihrer Fluglinie über die Abfertigungszeiten zu informieren. Die spanische Regierung kündigte derweil an, dass sie die Guardia Civil, Spaniens paramilitärische Polizeieinheit, einsetzen will, um die Kontrollen von Passagieren und Gepäck sicherzustellen.

Auf den Sommer folgt „heißer Herbst“

Doch Barcelona ist nicht die einzige Streikfront im Königreich der Niedriglöhne, die im Dienstleistungsgewerbe kaum höher als 1000 Euro liegen: Auf den Airports in der Pilgerstadt Santiago de Compostela und der galicischen Großstadt A Coruña an der Atlantikküste wollen die Sicherheitsmitarbeiter ab 20. August die Arbeit niederlegen.
Der Juli war nicht viel besser: Die Taxifahrer in Tourismushochburgen wie Madrid, Barcelona und Sevilla blieben vorübergehend zu Hause, um gegen die privaten Fahrdienste wie Uber oder Cabify zu demonstrieren. Das Personal der Metro in Barcelona, wichtigstes öffentliches Transportnetz der Stadt, streikte gleich wochenlang. Sogar die Rettungsschwimmer in mehreren Küstenabschnitten am Mittelmeer, wie etwa im Raum Alicante, befanden sich im Arbeitskampf, weil sie nicht länger für 900 Euro im Monat Dienst schieben wollten.

Die Streikwelle signalisiert, dass Spaniens im Europavergleich überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum, das vor allem durch den großen Tourismusboom angetrieben wird, auch seine Schattenseiten hat: Die Gewerkschaften beklagen schon seit längerem die immer schlechteren Arbeitsbedingungen in Spanien, wo 90 Prozent der neuen Jobs nur auf Wochen oder Monate befristete Beschäftigungen sind, für die auch selten mehr als 1000 Euro Lohn gezahlt werden. Deswegen drohen die Arbeitnehmerorganisationen nach dem diesjährigen Streiksommer jetzt bereits mit einem „Heißen Herbst“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2017)

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