Banken verschlafen die Digitalisierung

Online-Banking allein reicht nicht. Die Kunden sind auch sehr sensibel, was die Gebühren betrifft.
Online-Banking allein reicht nicht. Die Kunden sind auch sehr sensibel, was die Gebühren betrifft.(c) imago/Rüdiger Wölk (imago stock&people)
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Schon 51 Prozent der Österreicher wickeln ihre Bankgeschäfte vorwiegend digital ab. Allerdings nutzen die heimischen Banken das Potenzial neuer Technologien zu wenig.

Wien. Kaum eine andere Branche steht vor so großen Herausforderungen wie der Finanzsektor. Österreichs Banken sind im internationalen Vergleich nach wie vor zu wenig profitabel, und auch die Kapitalausstattung ist niedrig, stellte die OECD vor Kurzem in einem Bericht fest. Mit der Nutzung neuer Technologien könnten die Banken im Privatkundengeschäft ihr Ertragspotenzial deutlich heben.

„Österreichs Banken verschlafen derzeit noch zu viele Chancen der Digitalisierung“, sagt Lukas Haider, Experte der Boston Consulting Group (BCG) für Financial Services in Österreich. Haider untermauert seinen Befund mit der neuen Studie „Global Retail Banking 2017“, die der „Presse“ vorab exklusiv vorliegt. Für die Studie wurden 42.000 Privatkunden in 16 Ländern befragt.

Herausgekommen ist, dass Österreichs Bankkunden im internationalen Vergleich zu den „digitalsten“ zählen. So erledigen nur noch elf Prozent der Kunden ihre Bankgeschäfte ausschließlich in der Filiale. In anderen Ländern ist der Anteil höher. In Deutschland, Frankreich und Kanada liegt er bei 13 Prozent, in Großbritannien bei 14 Prozent, in den USA bei 16 Prozent, in Italien bei 20 Prozent und in Japan bei 38 Prozent.

Preis spielt eine wichtige Rolle

Bereits 51 Prozent der Kunden in Österreich wickeln ihre Bankgeschäfte vorwiegend digital ab. Bei den restlichen 38 Prozent handelt es sich um sogenannte Hybridkunden. Sie nutzen sowohl die Filialen als auch die digitalen Kanäle. Aufhorchen lassen noch andere Ergebnisse der Studie. So spielt in Österreich bei der Entscheidung, bei welcher Bank die Kunden ein neues Geschäft abwickeln (wie ein neuer Kredit, eine neue Kreditkarte oder ein neues Sparbuch), der Preis eine entscheidende Rolle. Konkret orientierten sich in Österreich 23 Prozent der Bankkunden im Neugeschäft ausschließlich an den Konditionen.

Das ist nach Italien (27 Prozent) der höchste Wert unter den 16 Ländern. In Frankreich spielen die Konditionen nur bei 13 Prozent der Bankkunden eine wichtige Rolle, in den USA sind es zwölf Prozent. Das bedeutet unterm Strich, dass die Bankkunden in Österreich besonders preissensibel sind und gleichzeitig die Geschäfte häufig digital abwickeln wollen. Um diesen Bedürfnissen zu entsprechen, müssen die Banken die „bionische Transformation“ vorantreiben, sagt BCG-Experte Haider. Darunter versteht er ein „effizientes, intelligentes und kundenzentriertes Zusammenspiel von persönlicher Beratung und digitalen Produkten und Services“.

Für die Banken hat Haider hier drei zentrale Bereiche, in denen sich Veränderungen lohnen, identifiziert. Dazu gehört unter anderem eine „wertorientierte Preisbildung“. Laut Haider erwarten die Kunden „maßgeschneiderte Online- und Offline-Services und attraktive, leicht verständliche Produkte zu einem fairen Preis“. Mit einer wertorientierten Preisbildung könnten die Banken eine Umsatzsteigerung bis zu 15 Prozent über einen kurzen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten erzielen. Die nächste Herausforderung ist die Umgestaltung des Filialnetzes, das rund 25 bis 30 Prozent der Gesamtbetriebskosten ausmacht.

Anstatt eines einheitlichen Filialmodells sollten die Banken vielfältige Filialformate schaffen. Einen neuen Weg geht beispielsweise Raiffeisen in der Steiermark. Nachdem Zweigstellen in kleineren Orten zugesperrt wurden, fährt nun ein Bus mit Bankomat, Kontoauszugsdrucker und Besprechungszimmer die Region ab.

Der dritte Bereich, in dem Veränderungen notwendig sind, wird in der BCG-Studie die digitalisierte „Customer Journey“ genannt. Gemeint sind bessere digitale Kundenschnittstellen, um den Service für Kunden noch effizienter zu machen. Dazu sollen künstliche Intelligenz, Robotik und andere digitale Serviceunterstützer eingesetzt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2017)

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