Die Briten können das Gefeilsche nicht lassen.
Ein integraler Bestandteil der modernen zwischenmenschlichen Etikette ist das Erfordernis, die eigene Umgangsform an den jeweiligen Kontext anzupassen. Während es also völlig selbstverständlich – und sogar erwünscht – ist, auf dem Basar mit den Verkäufern ausgiebig zu feilschen, würde dasselbe Verhalten am Schalter eines Finanzamts deplatziert wirken.
Aus dieser Perspektive betrachtet, erscheint das Vorgehen der britischen Regierung bei den Verhandlungen über den EU-Austritt Großbritanniens zusehends befremdlich. Brexit-Minister David Davis agiert wie ein Supermarktkunde, der sich von der Selbstbedienungskassa einen Preisnachlass für die gekaufte Tiefkühlpizza erhofft und nicht wahrhaben will, dass der Barcodescanner für Schmeicheleien, Drohungen und Bitten nicht empfänglich ist.
Die Prozedur für die Brexit-Verhandlungen lautet: Erst wenn London und Brüssel bei der Frage der finanziellen Verbindlichkeiten sowie beim künftigen Status der EU-Bürger in Großbritannien und der irisch-nordirischen Grenze Fortschritte erzielt haben, soll über das künftige Wirtschaftsverhältnis zwischen Europäern und Briten gesprochen werden. Davis kennt den vereinbarten Ablauf genau – und versucht trotzdem immer wieder aufs Neue, die Handelsbeziehungen bereits jetzt auf die Agenda zu setzen.
Albert Einstein definierte Wahnsinn als die Wiederholung derselben Tätigkeit bei der gleichzeitigen Erwartung anderer Ergebnisse. David Davis ist nicht verrückt – er ist einfach nur ein guter Basarhändler.
michael.laczynski@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2017)