Wie schlau sind Kim Jong-uns Raketenbastler?

FILE PHOTO - North Korean leader Kim Jong Un inspects the long-range strategic ballistic rocket Hwasong-12 (Mars-12)
FILE PHOTO - North Korean leader Kim Jong Un inspects the long-range strategic ballistic rocket Hwasong-12 (Mars-12)(c) REUTERS (KCNA)
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Kiew weist Berichte zurück, Nordkoreas Raketentriebwerke stammten aus einer Fabrik in der Ostukraine. Pjöngjang habe die Motoren selbst entwickelt, so der US-Geheimdienst – doch nicht ohne ausländische Hilfe.

Wien/Kiew/Pjöngjang. Das gesamte US-Festland liege nun in Reichweite Pjöngjangs, drohte Diktator Kim Jong-un nach dem ersten erfolgreichen Test einer Interkontinentalrakete Ende Juli – und markierte damit einen Meilenstein im nordkoreanischen Raketenprogramm. Selbst Experten hatten die Schlagkraft der Hwasong-Geschosse unterschätzt. Doch wie eine so rasante Entwicklung überhaupt möglich gewesen sei, fragten sich Beobachter und, ob Nordkorea die dazugehörigen Triebwerke erstmals im September 2016 getestet habe?

Die Spuren führten nach Dnipro im Osten der Ukraine, meinen Forscher des Londoner Instituts für Strategische Studien. Jahrzehntelang produzierte dort die Fabrik Juschmasch Triebwerke des Typs RD-250 für sowjetische Raketen. Die Forscher berufen sich auf von Pjöngjang veröffentlichte Fotos, berichtete die „New York Times“. Die nach Ausbruch des ukrainischen Bürgerkriegs 2014 in die Bedeutungslosigkeit geratene Fabrik könnte die russische Technologie in der Suche nach neuen Aufträgen an Nordkorea verkauft haben, lautet die Theorie. Denn Pjöngjang habe bereits 2012 versucht, Geheiminformationen aus dem Komplex zu stehlen.

Kiew weist die Vorwürfe zurück: Seit der Unabhängigkeit 1991 habe Juschmasch die Triebwerke nicht mehr produziert, heißt es in der ukrainischen Botschaft in Wien. Die Gerüchte seien vom Kreml verbreitet worden. Damit wolle Moskau seine Beteiligung am nordkoreanischen Raketenprogramm verschleiern. Derzeit befinde sich auf ukrainischem Gebiet nur ein Modell, in Russland aber lagerten alte sowjetische Raketen mit RD-250-Triebwerken.

Auch der US-Geheimdienst entlastet die Ukraine: Nordkorea sei nicht auf Importe angewiesen, es könne Raketentriebwerke selbst herstellen, zitierte Reuters einen Beamten. Ohne Hilfe aus dem Ausland lassen sich die gigantischen Fortschritte jedoch nicht erklären: Pjöngjang könnte ausländische Forscher angeheuert oder Nordkoreaner zur Ausbildung ins Ausland geschickt haben, heißt es.

Weiterer Test: „Rote Linie“

Starke Raketentriebwerke allein reichen jedoch nicht aus, damit Nordkorea seine Drohung, die USA mit Atomraketen zu bombardieren, wahr machen kann. Noch sind die atomaren Sprengköpfe des Regimes nicht leicht genug, seine Langstreckenraketen würden in der Erdatmosphäre verglühen. Um diese Technik zu beherrschen, wären mindestens ein weiterer Atomtest und mehrere Raketentests nötig, sagen Experten. Damit würde Kim eine „rote Linie“ überschreiten, warnte Südkoreas Präsident, Moon Jae-in, am Donnerstag. Seine Administration setzt sich eigentlich für eine diplomatische Lösung der Krise ein. Washington habe ihm versichert, vor einem Militärschlag eine Genehmigung einzuholen.

US-Präsident Donald Trump hatte mehrmals betont, auch militärisch gegen den isolierten Staat vorzugehen. Doch Trumps Chefstratege, Steve Bannon, schwächte die Drohungen in einem Interview am Mittwoch ab: Es gebe keine militärische Lösung, solang Seoul im Fadenkreuz nordkoreanischer Artillerie stehe. Schließlich wolle niemand, dass zehn Millionen Menschen in 30Minuten durch konventionelle Waffen umkämen.

Auf rein verbales Säbelrasseln wollen sich die USA aber nicht beschränken: Sie halten trotz der Spannungen an einem militärischen Großmanöver mit Südkorea ab kommender Woche fest. (maka)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2017)

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