Zwillinge von Pflegeeltern getrennt: unverständlich

Symbolbild: Justitia
Symbolbild: Justitia(c) APA/HERBERT PFARRHOFER
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OGH ließ Kindeswohl außer Acht. Eine Kritik.

Linz. „Die Presse“ berichtete über einen OGH-Beschluss (9 Ob 27/ 17m), wonach Pflegeeltern Zwillinge nach fünf Jahren Betreuung der Mutter zurückgeben müssen. Den Sechsjährigen droht laut Sachverständigem mit hoher Wahrscheinlichkeit eine psychische Beeinträchtigung als Dauerfolge (gestörtes Urvertrauen, Unsicherheit, Depression, emotionale Entwurzelung). Wieso der OGH dennoch bei Rückführung zur Mutter keine Kindeswohlgefährdung sehen will und offenbar die angeführten Dauerfolgen für die Kinder in Kauf nimmt, ist nicht nachvollziehbar.

Das Kindeswohl – im Pflegschaftsverfahren allein ausschlaggebend – erfordert in diesem Fall den Verbleib bei den Pflegeeltern. Der OGH selbst räumt ein, dass es den Kindern dort gut geht und die Pflegeeltern die primären Bezugspersonen sind, während die Erziehungsfähigkeit der Mutter durch die nach wie vor bestehende Persönlichkeitsstörung eingeschränkt ist. Den hier ausdrücklich abgelehnten Günstigkeitsvergleich hat der OGH in der Entscheidung 4 Ob 17/03h (deren Sachverhalt in vielerlei Hinsicht dem vorliegenden ähnelt) sehr wohl vorgenommen und für eine Rückführung ausdrücklich gefordert, dass die Voraussetzungen für das Kindeswohl zumindest „annähernd gleich“ wie bei den Pflegeeltern sein müssten.

4 Ob 17/03h hätte auch den Weg gewiesen, wie das Kindeswohl gewahrt werden kann, ohne den Eltern die Obsorge zu entziehen: Der Mutter hätte (bei Belassung der Obsorge, als gelinderes Mittel) der gerichtliche Auftrag erteilt werden können, die Kinder in Pflege und Erziehung bei den Pflegeeltern zu belassen.


Der Autor arbeitet im Amt der Oö. Landesregierung, Abt. Kinder- und Jugendhilfe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2017)

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