Warum die Lufthansa Air Berlin übernehmen muss

Bis Ende September will Air Berlin-Chef Thomas Zimmermann seine Airline verkauft haben.
Bis Ende September will Air Berlin-Chef Thomas Zimmermann seine Airline verkauft haben.(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Zehn Interessenten wollen Teile der insolventen Air Berlin. Der Löwenanteil wird Lufthansa bleiben, damit sich der deutsche Konzern die Konkurrenz vom Leib halten kann.

Wien. Das Drehbuch war perfekt: Genau zwischen Urlaubssaison und deutschem Wahlkampf meldet die seit Jahren strauchelnde deutsche Fluglinie Air Berlin Insolvenz an. Berlin springt mit einer 150-Millionen-Euro-Spritze ein, die Lufthansa präsentiert sich rasch als Retter, der die Airline am liebsten schon gestern übernommen hätte. Doch während Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) schon vom neuen „deutschen Champion im internationalen Luftverkehr“ schwärmt, wettern Konkurrenten wie Ryanair-Chef Micheal O'Leary gegen das „abgekartete Spiel“, dessen Sieger mit der Lufthansa von Beginn an feststehe. Auch die Monopolkommission warnt, die Lufthansa in den Verhandlungen nicht zu bevorzugen.

Am Wochenende rückt Air Berlin-Chef Thomas Zimmermann, der vorher selbst im Lufthansa-Konzern tätig war, zur Schadensbegrenzung aus. Mit immerhin zehn Interessenten habe man in den vergangenen Tagen verhandelt, gab er im Interview mit der „Bild am Sonntag“ zu Protokoll. Ein Komplettverkauf an die Lufthansa sei ausgeschlossen. Es werde zumindest zwei oder drei Käufer geben. Aussichtsreiche Mitbieter sind die Billigfluggesellschaft Easyjet, TUIfly und die Thomas-Cook-Tochter Condor.

Den Löwenanteil wird sich die größte deutsche Fluglinie aber nicht nehmen lassen, weil sie gar nicht anders kann. Will sie sich die Konkurrenz durch die Billigflieger vom Hals halten, führt am Kauf der Air Berlin kein Weg vorbei. Lufthansa-Chef Carsten Spohr muss sich vor allem die sogenannten Slots der Air Berlin sichern. Diese Rechte, innerhalb eines Zehnminutenfensters auf einem bestimmten Flughafen zu starten oder zu landen, sind das Gold der Branche. Air Berlin hält viele Slots zu attraktiven Zeiten. Europas größter Billigflieger, die irische Ryanair, hat hingegen mit Ausnahme von Berlin Schönefeld und Hamburg kaum nennenswerte Slots.

Ryanair hat kaum Slots in Deutschland

Geht es nach der Lufthansa, soll das auch in Zukunft so bleiben. Dafür muss die Air Berlin aber verkauft sein, bevor das Geld der Regierung ausgeht und die Fluglinie den Betrieb einstellen muss. In diesem Fall würden die Slots nämlich kostenlos neu vergeben werden. Laut Gesetz wäre zumindest die Hälfte der Slots für Neuankömmlinge am Markt reserviert. Ryanair hätte also sehr gute, Lufthansa de facto keine Chance auf neue Start- und Landerechte.

Lufthansa wird also alles daran setzen, dass Air Berlin so schnell als möglich in neue Hände kommt. Medienberichten zufolge hat Lufthansa den Insolvenzverwaltern ein Konzept vorgestellt, wonach die Airline bis zu 70 Flugzeuge übernehmen will – davon zwölf bis 17 für die Langstrecke und 21 von der österreichischen Air-Berlin-Tochter Niki. Dazu kämen 2000 bis 3000 Piloten und Flugbegleiter. Bis Ende September will Air Berlin-Chef Zimmermann den Verkauf über die Bühne bringen.

Die Konkurrenz schäumt. Unmut gibt es vor allem über die Besetzung des Gläubigerausschusses, der letztlich über den Verkauf entscheidet. Denn weil die Lufthansatochter Eurowings 38 Flugzeuge von Air Berlin gemietet hat, sitzt auch ein Vertreter des Konzerns im Gremium. Der Gläubigerausschuss müsse die Nachhaltigkeit der Angebote überprüfen, schilderte ein Insider. „Die Bieter müssen dort komplett die Hosen runterlassen, und die Lufthansa kann in Ruhe die Geschäftsmodelle studieren“. (auer/ag)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2017)

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