Vier nahöstliche Armeen ziehen mittlerweile gegen den sogenannten Islamischen Staat in den Krieg. Nun gesellten sich auch die libanesischen Streitkräfte hinzu. Und Russland bombardiert die IS-Stellungen heftiger denn je.
Tunis. Der militärische Druck auf das „Kalifat“ des sogenannten Islamischen Staates wächst immer mehr. Seit dem Wochenende zieht nun auch die vierte nahöstliche Armee gegen die Terrormiliz in den Krieg. Die libanesischen Streitkräfte wollen die Jihadisten aus deren libanesisch-syrischer Enklave im Qalamoun-Gebirge vertreiben. Parallel dazu startete die Armee des Irak ihren Feldzug gegen die Stadt Tal Afar, nach dem Fall von Mossul die letzte IS-Bastion auf irakischem Boden.
Die syrische Armee greift im Osten des Landes das IS-Zentrum Deir Ezzor an, während die von den USA gestützten arabisch-kurdischen Streitkräfte inzwischen mehr als die Hälfte der IS-Hauptstadt Raqqa zurückeroberten.
Auf libanesischem Territorium hatten sich die Jihadisten im Herbst 2014 rund um die Grenzstädte Ras Baalbek und Al-Qaa eingenistet. Bei dieser Offensive kidnappte die Terrormiliz 30 libanesische Soldaten und Polizisten. Vier wurden ermordet, einer starb an seinen Schusswunden. 16 wurden später gegen Gefangene ausgetauscht, neun sind immer noch in der Hand der Fanatiker.
Erste Geländeerfolge konnte Beiruts Militär bereits erzielen, das vor allem von den Vereinigten Staaten ausgerüstet und trainiert wird. „Es ist Gottes Job, über die Terroristen zu richten, es ist unsere Aufgabe, dieses Treffen zu arrangieren“, hieß es ironisch auf Plakaten der Armee, die die Moral der Truppe stärken sollen.
Aus Solidarität mit den Anschlagsopfern von Barcelona und Cambrils hissten die Soldaten auf einer der zurückeroberten Anhöhen neben der libanesischen auch die spanische Flagge.
In Höhlen verschanzt
Doch die härtesten Gefechte mit den verbliebenen 600 IS-Extremisten stehen noch bevor, deren Scharfschützen sich in zahlreichen Höhlen und Tunneln verschanzt halten. Der libanesische Feldzug ist offenbar auch mit der schiitischen Hisbollah und Bashar al-Assads Armee koordiniert, die von syrischer Seite in dem Grenzgebiet aus eine zweite Front eröffneten. Hier fanden die Angreifer in Arsenalen der IS-Kämpfer moderne Boden-Luft-Raketen und panzerbrechende Waffen.
Auf dem irakischen Schlachtfeld stellte Ministerpräsident Haidar al-Abadi, der in schwarzer Militäruniform auftrat, die Extremisten in einer Fernsehansprache vor die Alternative, sich zu ergeben oder zu sterben. Tal Afar, siebzig Kilometer östlich von Mossul, ist im Irak die letzte größere Stadt unter IS-Kontrolle, in der in Friedenszeiten 200.000 Menschen gelebt haben. Wegen ihrer Nähe zur syrischen Grenze war sie lange Zeit eine Drehscheibe für den Nachschub der Terrormiliz.
1500 bis 2000 Kämpfer mit ihren Familien sollen sich noch hier aufhalten zusammen mit mindestens 50.000 Zivilisten, von denen die meisten Schiiten oder Turkmenen sind. Zahlreiche Angehörige der sunnitischen Minderheit von Tal Afar dagegen schlossen sich dem IS an und beteiligten sich an der extrem brutalen Willkürherrschaft über die andersgläubigen Einwohner. Neben der irakischen Armee sind an der Offensive auch 20.000 schiitische und kurdische Milizionäre beteiligt.
200 Kämpfer getötet
Auf dem syrischen Kriegsschauplatz im Osten des Landes rückt die Armee des Assad-Regimes immer rascher in Richtung irakische und jordanische Grenze vor und konnte in den Wüstengebieten zuletzt kleinere Kontingente der islamischen Fanatiker einkesseln.
Die Jihadisten dagegen ziehen ihre Bataillone nun offenbar in der Region um die Stadt Deir Ezzor zum letzten Gefecht zusammen. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau griffen russische Kampfjets kürzlich eine große IS-Kolonne an, die aus Homs in Richtung Deir Ezzor floh, und töteten über 200 Kämpfer.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2017)