Straße von Malakka

Kollision am Nadelöhr der Weltwirtschaft

Ein Öltanker riss ein gewaltiges Loch in das amerikanische Kriegsschiff USS McCain. Nach dem Zusammenstoß galten zehn Matrosen als vermisst, fünf wurden verletzt.
Ein Öltanker riss ein gewaltiges Loch in das amerikanische Kriegsschiff USS McCain. Nach dem Zusammenstoß galten zehn Matrosen als vermisst, fünf wurden verletzt.(c) APA/AFP/ROSLAN RAHMAN
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Die Meeresenge zwischen Malaysia und Indonesien ist einer der wichtigsten Wasserwege der Welt. Ausgerechnet dort rammte ein gewaltiger Öltanker das US-Kriegsschiff USS John S. McCain.

Bangkok. An der Seite des amerikanischen Kriegsschiffs USS John S. McCain klafft seit Montag ein gewaltiges Loch. Den Zerstörer hat nahe Singapur ein Koloss gerammt: der rund dreimal größere Öltanker Alnic MC2. Zehn Matrosen galten am Abend noch als vermisst. Teams aus Malaysia, Singapur, Indonesien und den USA suchten die raue See nach ihnen ab. Fünf Seemänner wurden verletzt, Hubschrauber brachten vier von ihnen zur Behandlung nach Singapur.

An dem US-Raketenkreuzer mit einer regulären Besatzung von rund 300 Matrosen entstand „ein massiver Schaden“: Mannschafts-, Kommunikations- und Maschinenräume seien überflutet worden, hieß es in einer Mitteilung der US-Marine.

Beide Schiffe konnten nach der Kollision aus eigener Kraft in Singapurs Hafen zurückkehren. Laut malaysischen Behörden soll aus dem 183 Meter langen Tanker unter libanesischer Flagge keinerlei Öl ausgelaufen sein. Der Unfall könnte dennoch äußerst peinlich für die Amerikaner werden: Denn das Kriegsschiff hat in einem hochsensiblen Seegebiet genau das ausgelöst, was es eigentlich verhindern sollte: Unsicherheit.

Die McCain kam gerade erst von einer Mission aus dem nahegelegenen Südchinesischen Meer, wo sich China und mehrere Nachbarstaaten um mehrere Inselgruppen streiten. Die Operation des Schiffs sollte den Anspruch auf freie Navigation der Amerikaner in den Gewässern untermauern. Doch zuletzt wurden US-Schiffe selbst zur Behinderung für den Seeverkehr in Asien: Der Unfall der McCain ist dieses Jahr bereits der vierte Zusammenstoß eines amerikanischen Kriegsschiffs in asiatischen Gewässern. Im Juli kollidierte die USS Fitzgerald mit einem Handelsschiff vor der japanischen Küste; sieben US-Matrosen starben.

Grafik zum Schiffsverkehr.
Grafik zum Schiffsverkehr.(c) Die Presse

Die schnellste Verbindung nach Europa

Militärexperten wundern sich, dass ein mit modernen Radaranlagen ausgestattetes Schiff wie die McCain den schwerfälligen Tanker nicht bemerken und ihm ausweichen konnte. „Öltanker sind riesig und brauchen Meilen, um den Kurs zu ändern“, beschwerte sich der amerikanische Marine-Experte Carl Schuster auf CNN. „Wenn man auf einem so viel befahrenen Seeweg fährt, muss man sehr aufmerksam sein und die Schiffe um einen herum akribisch beobachten.“

An dem Unglücksort hätte die Mannschaft besonders vorsichtig sein müssen: Der Zusammenstoß ereignete sich an einer Achillesferse der Weltwirtschaft. Die Schiffe stießen direkt an der Zufahrt zur Straße von Malakka gegeneinander. Die Meerenge zwischen Malaysia und der indonesischen Insel Sumatra ist nach der Straße von Hormus der zweitwichtigste Wasserweg der Welt. Zwischen Europa und China gibt es keine schnellere Wasserverbindung. Rund ein Viertel des globalen Welthandels wird durch die Passage in Südostasien verschifft – genau aus diesem Grund sind die Amerikaner in der Region so stark präsent.

80.000 Schiffe pro Jahr

Schon seit Jahrzehnten gibt es Befürchtungen über eine mögliche Blockade des Seeweges – sei es wegen eines militärischen Konflikts, eines Terroranschlages oder eben eines Unfalls. Ein Ölteppich könnte Experten zufolge die komplette Wasserstraße unpassierbar machen. Die Wahrscheinlichkeit für ein solches Unglück wächst. Rund 80.000 Schiffe durchfahren malaysischen Behörden zufolge jedes Jahr die Meerenge. Doch weil die Straße an ihrer engsten Stelle gerade einmal rund 2,7 Kilometer breit ist, ist sie schon jetzt extrem ausgelastet. Der norwegische Schiffsversicherer Skuld nennt die heikle Stelle auch „die am meisten verstopfte Passage der Welt“. Und die große Anzahl an Schiffen bedeute auch ein höheres Risiko für Kollisionen, warnt der Versicherer.

AUF EINEN BLICK

Die Straße von Malakka zwischen Malaysia und der indonesischen Insel Sumatra passieren jährlich 80.000 Schiffe. An ihrer engsten Stelle ist die Passage nur 2,7 Kilometer breit. Eine Blockade hätte katastrophale Auswirkungen auf die Weltwirtschaft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2017)

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