Frohner: „Die Leistung der Pfleger geht einfach unter“

Ursula Frohner
Ursula Frohner(c) Katharina Roßboth
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Via Skype Patienten befragen, iPhones für mobile Pflegekräfte: Ursula Frohner, Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes will das Image der Pflege aufpolieren.

Die Presse: Altsein ist keine Krankheit, beinhaltet aber oft mehrere. Korrekt?

Ursula Frohner: Der alte Mensch reagiert insgesamt langsamer auf Abläufe und ist motorisch weniger wendig. Das ist per se keine Krankheit, der alte Mensch braucht aber Unterstützung in der Alltagsbewältigung. Hinzu kommen in der Regel chronische Krankheiten, etwa Diabetes, Bluthochdruck, rheumatische Erkrankungen. Diese Kombination an Situationen kann ein Mensch mittleren Lebensalters besser bewältigen als ein alter oder hochaltriger.

Wer ist alt, wer hochaltrig?

Das ist individuell, eine konkrete Zahl lässt sich nicht nennen. Es kommt auf die motorische und psychische Fitness an. Manche sind mit 70 schon sehr eingeschränkt, andere sind mit 90 noch sehr aktiv.

Von Altersmedizin hört man meist nur im Zusammenhang mit Pflegeskandalen, zuletzt etwa, als die Volksanwaltschaft von Menschen berichtete, die in Kot liegen mussten.

Grundsätzlich sind Missstände zu beheben. Leider werden Pflegethemen in den Medien nicht sehr sachlich aufgearbeitet. Mit einem Anteil von 65 Prozent sind Gesundheits- und Krankenpflegepersonen die größte Gruppe der Gesundheitsberufe. Die Pfleger sind die Informationsdrehscheibe: Es ist von enormer Bedeutung über das Therapieergebnis etwa bei der Anwendung von Schmerzmedikation im Rahmen der Krankenbeobachtung kompetent Auskunft geben zu können und Pflegeinterventionen zu veranlassen. Personalschlüssel gehören adaptiert, Coaching und Bildungsangebote müssen ausreichend zur Verfügung stehen. Das wissen auch die Entscheidungsträger, aber es passiert zu wenig.

Es handelt sich also um ein Imageproblem?

Ja. Die Pflegeleistung wird allzu oft bagatellisiert, sie geht einfach unter. Mit der Novelle des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes 2016 und der damit definierten Ausbildungsreform wurde ein wichtiger Schritt in Richtung Bedarfsorientierung gemacht. Zudem werden ab 2018 alle Gesundheits- und Krankenpflegepersonen aller Qualifikationsstufen in einer Berufsliste verpflichtend erfasst. Das ist eine weitere qualitätssichernde Maßnahme.

Derzeit schrumpft die Zahl der Pfleger drastisch.

Nicht nur in der Pflege, in allen Gesundheitsberufen steuern wir auf einen Mangel zu. Der Grund: Die geburtenstarken Jahrgänge stehen progredient nicht mehr im Berufsleben. Damit einher geht ein Versorgungs-Gap. Die Versorgung mit Gesundheitsleistungen darf nicht beim Spitalsausgang aufhören, es muss Angebote zwischen dem Akutkrankenhaus, der mobilen Hauskrankenpflege und dem Langzeitaufenthalt in Pflegeeinrichtungen geben. Hier braucht es österreichweit einheitliche Strukturen und Qualitätskriterien. Allerdings auch gleiche Rahmenbedingungen für alle Gesundheitsberufe hinsichtlich Finanzierung und Angebotsformen. Es darf nicht sein, dass Pflegeleistungen im niedergelassenen Bereich, flankierend zur Allgemeinmedizin derzeit etwa nur über die mobile Pflege vorgesehen ist.

Zurück zur Geriatrie 2.0: Wie multiprofessionell ist die Altersmedizin in Österreich?

Es gibt Ansätze, etwa bei der Bewältigung des chronischen Schmerzes oder bei der Umsetzung von Disease-Management-Programmen wie Diabetes. Richtig gegriffen hat die multiprofessionelle Versorgung in Österreich aber noch nicht. Die Fachkompetenz der Gesundheits- und Krankenpflege wird nur marginal eingebunden und genutzt.

Woran liegt das?

Es fehlt eine gute Vernetzung von Informationen. Ich verstehe nicht, warum etwa mobile Pflegekräfte nicht wie in den skandinavischen Ländern mit Dienst-iPhones ausgestattet werden. Das kann keine große finanzielle Hürde sein, es würde leere Kilometer und doppelte Fragen abschaffen. Oder: In Neuseeland wird seit 15, 20 Jahren mit pflegebedürftigen Personen, die zu Hause leben, geskyped, damit die behandelnden Ärzte, Diätologen oder Psychologen klare und aktuelle Angaben über das jeweilige Befinden haben, so können auch Pflegebedürftige in entlegenen Gegenden gut betreut werden – in Österreich sind wir davon noch weit entfernt.

Was halten Sie von Apps, die den Puls messen oder an Tabletten erinnern – und die Daten dem Arzt senden?

Diese Monitoringangebote sind grundsätzlich sicher zielführend, doch kann ich mir kaum vorstellen, dass ein heute hochaltriger Mensch seinen Blutdruck per App misst. Einerseits sind diese Angebote mit den Aspekten der Nutzer und den Gesundheitsprofessionen weiter zu entwickeln. Darüber hinaus müssen jene erreicht werden, die heute schon mit diesen Technologien arbeiten. Wer beispielsweise die Anwendungsgebiete von Videokonferenzen und Apps aus dem Berufsleben kennt, tut sich damit dann im Alter leichter.

(hell)

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