Kulturkampf um den Kreißsaal

Gynäkologin Siripanth Nippita
Gynäkologin Siripanth Nippita(c) Katharina Roßboth
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Die Frage um das Recht auf Abtreibung spaltet die USA – seit Donald Trump Präsident wurde, umso mehr. Gynäkologin Siripanth Nippita wünscht sich ein sexuell aufgeklärteres Amerika.

„Wenn es um Sex geht, können die USA ein höchst konservativer Ort sein“, sagt Siripanth Nippita. „Wir leisten einen schlechten Dienst für junge Leute: Sie sind unvorbereitet, wenn sie losziehen und beginnen, ihre Körper kennenzulernen. Und das, was gesund und normal ist und Spaß machen soll, wird schwierig und zum Stigma.“

Nippita ist Ärztin am Beth Israel Deaconess Medical Center, einer Forschungsklinik der Harvard University in Boston, Massachusetts an der US-amerikanischen Ostküste. Sie arbeitet dort als Gynäkologin und unterrichtet junge Ärzte – zum Thema Verhütung und auch zu Schwangerschaftsabbrüchen. Gerade hat Nippita gute Neuigkeiten: Seit mehr Amerikanerinnen sich für Spiralen oder Implantate als Verhütungsmethode entscheiden, geht die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche zurück. „Ich würde sehr gerne nie mehr eine Abtreibung durchführen müssen“, sagt die Medizinerin. „Doch solange Menschen nicht perfekt sind und Verhütung nicht perfekt ist, wird es auch Abtreibungen geben.“ Deswegen wünscht sich Nippita vor allem eines: „Legale, sichere, seltene Abtreibungen.“

Verhüten, eine Präsidentschaft lang

Am Forum Alpbach sprach die US-Amerikanerin vor großer, junger Runde – um acht Uhr am Morgen. In vielen Ländern ist der Zugang zu sicheren Abtreibungen bei Weitem nicht selbstverständlich; im EU-Land Polen konnte vergangenes Jahr nur knapp – und durch große Protestaktionen – ein Quasi-Abtreibungsverbot verhindert werden.

Was die Zuhörer auch zu früher Stunde ins Congress Centrum trieb: Donald Trump. Bei der Erwähnung des Namens des US-Präsidenten geht ein Raunen durch die Menge, es wird genickt, als Nippita sagt: „Man weiß wirklich nicht, was als Nächstes passieren wird.“ Die Kommentare Trumps über Frauen, sein Sexismus, seine Ankündigungen, den Zugang zu Verhütungsmitteln durch einen Finanzierungsstopp des Gesundheitsdienstleisters Planned Parenthood zu beschränken – all das machte Menschen in den vergangenen Monaten hellhörig, wenn es um Frauenkörper und Frauenrechte ging.

Menschen in ganz Amerika gingen am Tag nach Trumps Angelobung beim „Women's March“ für Frauenrechte auf die Straße – es sollte der größte eintägige Protest in der US-Geschichte werden. Parallel dazu unterbrach Trump die Finanzierung für Gesundheits-NGOs, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten. „Nachdem Trump gewählt worden war, gab es plötzlich sehr viele Patienten, die um Verhütungsmittel baten“, erzählt Nippita aus dem Klinikalltag in Boston. „Sie hatten Angst, dass die neue Regierung Obamacare abschaffen würde“ – und Verhütungsmittel nicht mehr so einfach erhältlich wären. Vor allem längerfristige Methoden wie Spiralen und Implantate seien beliebt geworden: „Die halten dann die ganze Trump-Regierung lang.“

Der Mediziner wird politisch

Tatsächlich steht es seit jeher schlecht um Frauen, die in den USA einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen wollen: Manche Bundesstaaten haben kaum Kliniken, in denen Abtreibungen überhaupt angeboten werden – in North Dakota gibt es etwa gar nur eine. In manchen Bundesstaaten werden Frauen außerdem verpflichtende „Nachdenkfristen“ verschrieben.

Ärzten, die aus Gewissensgründen keine Abtreibungen vornehmen wollen, spricht Nippita das volle Recht darauf zu: „Jeder gibt dem Fötus einen anderen moralischen Wert. Dann ist man sich einig, sich in dieser Frage nicht einig zu sein.“ Mit derselben Konsequenz akzeptiert sie allerdings auch jeden Grund, warum eine Frau eine Schwangerschaft abbrechen möchte. „Man möchte so gut Mutter oder Eltern sein wie möglich.“ Diese Überlegung stehe bei allen Abtreibungen meist im Zentrum. Ihren Studenten rät sie, gut zuzuhören: „Die ganze Abtreibungssituation gehört zu den schlimmsten Zeiten im Leben eines Menschen.“

Ihre Studenten müssen aber auch anderes bedenken: In den USA Abtreibungen durchzuführen, ist noch immer mit Stigmatisierung verbunden. Selbst Nippita, die in einem großen Spital arbeitet, erhielt Hassbriefe, noch schlimmer ergeht es Ärzten in kleineren Gemeinden, die Alarmanlangen installieren, falsche Namen angeben müssen und am Nachhauseweg verfolgt werden. „Du wirst politisch“, sagt sie, „du musst es werden. Du musst dich für deine Patienten einsetzen, du musst sicherstellen, dass du dich um sie kümmern kannst – denn wenn du es nicht machst, wer macht es dann?“

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