Kommission beharrt auf 3,7 Prozent mehr Gehalt, Verhandlungsfronten verhärtet. Die rein juristische Argumentation schadet zusehends dem Ansehen der Behörde.
BRÜSSEL. Was liegt, das pickt: Nach diesem Motto verfährt die Europäische Kommission im Streit um die Erhöhung der Gehälter ihrer laut eigenen Angaben rund 38.000 Bediensteten. Zusehends wird die Frage, ob die EU-Beamten im nächsten Jahr und mitten in der schwersten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit um 3,7Prozent mehr Gehalt erhalten sollen, zu einem politischen Problem für Kommissionspräsident José Manuel Barroso.
Denn die starre Haltung seiner Behörde, die sich auf eine rein juristische Argumentation stützt, schadet zusehends dem Ansehen einer Institution, die in den Augen ihrer Kritiker den Inbegriff eines abgehobenen Beamtenadels darstellt. Das macht es für Barroso schwerer, die Mitgliedstaaten zu verantwortungsvoller Haushaltsplanung anzuhalten.
Drohung mit Gang zum EuGH
Rechtlich ist ihre Argumentation einwandfrei: Seit 2004 folgen die Bezüge der aktiven und pensionierten Mitarbeiter der EU-Institutionen mit einem Jahr Verzögerung den Gehältern in den öffentlichen Diensten Belgiens, Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Italiens, Luxemburgs, der Niederlande und Spaniens.
Das EU-Statistikamt Eurostat bezieht in seine jährliche Berechnung auch die Lebenskosten in Brüssel ein, unter dem Strich kommt ein Vorschlag heraus, den die Mitgliedstaaten im Rat nur annehmen oder ablehnen, aber nicht ändern können. Bisher hat der Rat nur ein Mal, Anfang der 70er-Jahre, einen solchen Vorschlag geändert – und sich dafür vor dem Europäischen Gerichtshof eine blutige Nase geholt, bei dem jeder EU-Bedienstete gegen die nicht ordnungsgemäße Anwendung des Beamtenstatus Beschwerde einbringen kann.
Der Gang zum Gericht ist auch jetzt das stärkste Atout der Gewerkschaften der EU-Bediensteten, die am Montag den Agrarministerrat zu bestreiken drohen. Das würde die Einigung über die Fischfangquoten für 2010 unmöglich machen. Die Beamten beim Europaparlament (auch für sie gilt diese Methode) wollen die nächstwöchige Plenarsitzung in Straßburg bestreiken.
Derzeit sind die Fronten zwischen Rat und Kommission verhärtet. Zwei Verhandlungsrunden am Dienstag und Mittwoch endeten ohne Ergebnis, die nächste ist für Freitag angesetzt.
„Barroso ist sich dessen bewusst“
„Natürlich ist sich Präsident Barroso der Sensibilität von Themen wie diesem voll bewusst“, sagte Barrosos Sprecherin Pia Ahrenkilde Hansen am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. Derzeit plant die Kommission aber weder, den Vorschlag zu ändern, noch, eine Ausnahmeklausel im Statut anzuwenden, die ihr ein Abweichen von der Berechnungsformel ermöglicht, wenn in der EU „eine erhebliche, abrupte Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Lage eingetreten ist“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2009)