Barack Obama: Friedensrede des Kriegspräsidenten

(c) Reuters (Chris Helgren)
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US-Präsident Obama verteidigt den Afghanistan-Einsatz: "Krieg kann notwendig sein." Seine Botschaft an den Iran: Wer für den Atomkrieg rüste, müsse mit "wahren Sanktionen" rechnen.

OSLO.Der Nobelpreis lässt auch den mächtigsten Mann der Welt nicht unberührt. Deutlich bewegt, mit erst ernstem Gesicht, dann immer strahlenderem Lächeln stand Barack Obama im mit 13.000 Nelken geschmückten Festsaal im Rathaus von Oslo, hielt sich an seinem Diplom fest und nahm die Ovationen der Zuhörer entgegen.

Demütig dankte er für den Preis, den „andere mehr verdient hätten“ und für den er, verglichen mit „Giganten wie Schweitzer und King, Marshall und Mandela“, die ihn früher bekommen hatten, erst wenig geleistet habe. Langsam nur wich die Spannung aus seinem Gesicht. Da hatte er eine der schwierigsten Reden seiner Karriere gehalten: plausibel zu machen, dass „ich, der Oberbefehlshaber einer Nation, die in zwei Kriegen steckt“, den prestigeträchtigsten Friedenspreis erhalten kann.

Er hätte es sich leicht machen und seine Vision von der atomwaffenfreien Welt in den Vordergrund stellen können. Doch das wäre zu einfach gewesen für einen US-Präsidenten, der erst in der Vorwoche beschloss, 30.000 weitere Soldaten nach Afghanistan zu schicken. „Wir sind im Krieg, ich bin verantwortlich für die Entsendung tausender junger Amerikaner, manche werden töten, manche getötet werden.“ Das waren ungewöhnliche Sätze eines Friedenspreisträgers. Doch Obamas Botschaft lautete: Krieg kann notwendig sein. „Ohne Gewalt hätte man Hitlers Armeen nicht gestoppt, und Verhandlungen bringen die Führer von al-Qaida nicht dazu, die Waffen niederzulegen.“

„Standards gelten auch für USA“

„Die Instrumente des Krieges spielen ihre Rolle bei der Erhaltung des Friedens.“ Klang das mehr nach Bush als nach Obama? Die Fortsetzung tat es nicht mehr. Alle Nationen, stark oder schwach, müssten bei der Machtanwendung denselben Standards folgen, und die USA könnten nicht von anderen verlangen, die Regeln einzuhalten, wenn sie es selbst nicht täten. „Deshalb habe ich Folter verboten, deshalb habe ich die Schließung von Guantánamo angeordnet, deshalb habe ich unser Bekenntnis zur Genfer Konvention bekräftigt“, sagte Obama und setzte fort, von Beifall unterbrochen: „Wir verlieren uns selbst, wenn wir bei den Idealen, für die wir kämpfen, auf Kompromisskurs gehen.“

Eine Lösung für die Probleme des Krieges habe er nicht. Doch er wies Wege für „gerechten und dauerhaften Frieden“: Alternativen zur Gewalt, mit Unrechtstaaten umzugehen, Sanktionen, die einen „wahren Preis“ haben: „Wer Frieden will, kann nicht tatenlos zusehen, wie sich andere Staaten für einen Atomkrieg (Iran; Anm.) rüsten“, und dasselbe Prinzip müsse gegenüber Regimes gelten, die ihre eigenen Völker unterjochten. Nur unter Berücksichtigung der Rechte und Würde eines jeden Menschen sei dauerhafter Frieden möglich, und dies gelte auch für wirtschaftliche Sicherheit: „Wahrer Friede ist nicht nur Freiheit von Furcht, sondern auch Freiheit von Mangel.“

Gandhis Gewaltlosigkeit möge nicht immer praktizierbar sein. „Aber der Glaube in menschlichen Fortschritt muss immer unser Leitstern sein. Wenn wir diesen Glauben verlieren, verlieren wir unseren moralischen Kompass.“

Mehr: Die Rede Obamas zum Nachlesen

„Ein Aufruf zum Handeln“

Da erhoben sich die tausend Geladenen im Rathaus und huldigten ihm, länger und inniger, als man dies auf Nobelfesten gewohnt ist. Da war nichts mehr von der Skepsis zu spüren, die diese Preisverleihung begleitet hatte, seit der Komiteevorsitzende Thorbjörn Jagland vor zwei Monaten zur Verblüffung aller den US-Präsidenten benannte.

In seiner Rede vor der Preisverleihung bemühte sich Jagland nochmals, die Beweggründe des Nobelkomitees zu erläutern. „Wer hat denn im letzten Jahr am meisten für den Frieden getan? Das musste doch Barack Obama sein.“

Selten, dozierte der Vorsitzende, habe eine Person in so kurzer Zeit die Initiative für so viele und große Veränderungen ergriffen. Obama tue recht daran, die Auszeichnung als „Aufruf zum Handeln“ zu interpretieren, erklärte Jagland.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2009)

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