Deutschland peilt vierten Budgetüberschuss in Folge an

FILE PHOTO: German Finance Minister Wolfgang Schaeuble talks to IMF Managing Director Christine Lagarde during the G20 Finance Ministers and Central Bank Governors Meeting in Baden-Baden
FILE PHOTO: German Finance Minister Wolfgang Schaeuble talks to IMF Managing Director Christine Lagarde during the G20 Finance Ministers and Central Bank Governors Meeting in Baden-BadenREUTERS
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Was Österreich seit 1962 nicht zusammengebracht hat, schafft Deutschland viermal hintereinander. Im ersten Halbjahr erwirtschaftete der deutsche Staat einen Budgetüberschuss von 18,3 Milliarden Euro.

Ziemlich auf den Tag genau einen Monate vor der Bundestagswahl kann der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die besten Budgetzahlen seit der Wiedervereinigung präsentieren. Der deutsche Staat erwirtschaftete im ersten Halbjahr einen Budgetüberschuss von 18,3 Milliarden Euro. Somit peilt die größte Volkswirtschaft Europas bereits den vierten Budgetüberschuss hintereinander an. Nur zum Vergleich: Österreich gelang das Kunststück eines ausgeglichenen Budgets zuletzt unter Finanzminister Josef Klaus (ÖVP) im Jahr 1962.

Deutschland profitiert von einem kräftigen Wirtschaftswachstum und einer historisch niedrigen Arbeitslosigkeit. Wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte, erzielten die öffentlichen Kassen das beste Halbjahresergebnis seit dem Jahr 2000. Damals schafften Bund, Länder und Gemeinden einen Überschuss von 28,8 Milliarden Euro. Allerdings war dieses außergewöhnliche Ergebnis einst einem Einmaleffekt zu verdanken, der Versteigerung der UMTS-Mobilfunklizenzen.

Der positive Trend wird sich in Deutschland fortsetzen, sind Ökonomen überzeugt und verweisen auf die hohen Konsumausgaben und die wachsenden Investitionen der Unternehmen. Im zweiten Quartal des laufenden Jahres erhöhte sich das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Vergleich zum Vorquartal um 0,6 Prozent. Damit bleibt Deutschland der Wirtschaftsmotoer im Euroraum. Erstmals seit geraumer Zeit wuchs die Wirtschaft in Europa genauso kräftig wie in den USA.

Ökonomen warnen vor Großzügigkeit

Dennoch Volkswirte warnen jedoch davor, langfristige Risiken für die öffentlichen Haushalte zu unterschätzen. Steuern runter, Ausgaben rauf: für Familien, Bildung, Straßen, schnelles Internet. Die Liste der Wahlversprechen der Parteien zur Bundestagswahl scheint endlos. Geld ist ja offensichtlich genug da: 18,3 Milliarden Euro haben Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherung in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres mehr eingenommen als ausgegeben. So groß war der Überschuss aus eigener Kraft nie seit der Wiedervereinigung.

Das nährt Begehrlichkeiten - zumal die aktuelle Entwicklung keine Eintagsfliege ist. Die vergangenen fünf Halbjahre schloss der deutsche Staat mit einem Plus ab, die Gesamtjahre 2014 (nach revidierten Zahlen gut 9,5 Mrd. Euro), 2015 (rund 19,4 Mrd. Euro) und 2016 (rund 25,7 Mrd. Euro) bescherten Deutschland jeweils Überschüsse.

Das Füllhorn der Wahlversprechen sehen die Zentralbanker mit Sorge: "Im Vorfeld der Bundestagswahl werden allerdings insbesondere Maßnahmen in Aussicht gestellt, die den Haushalt belasten."

Risiko der Zinswende

Ökonomen warnen davor, die Risiken zu unterschätzen - seien es die erwartete Zinswende oder die Herausforderungen einer alternden Gesellschaft. Dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen im Euroraum quasi abgeschafft hat, hilft auch starken Volkswirtschaften wie Deutschland. Nach Berechnungen der Deutschen Bank dürfte der deutsche Staat zwischen 2008 und 2016 fast 260 Milliarden Euro an Zinsen eingespart haben - etwa acht Prozent des letztjährigen BIP.

Doch in den nächsten Jahren wird die EZB die Raten wieder anheben. Steigende Zinsen dürften Kämmerer und Finanzminister unter Druck setzen. Auch der demografische Wandel bleibt nicht folgenlos: "Der Bevölkerungsrückgang sowie die Alterung der Erwerbspersonen in Deutschland wird das trendmäßige Wirtschaftswachstum mittelfristig deutlich senken", prognostizierte die Bundesbank im April.

"Die langfristigen Risiken für die Staatsfinanzen werden im aktuellen Bundestagswahlkampf weitestgehend ignoriert", urteilen die Volkswirte der Deutschen Bank. Ihr Rat: Die künftige Bundesregierung solle nicht noch weiter an der Ausgabenschraube drehen als von der jetzigen großen Koalition ohnehin schon geplant, "damit Ausgaben den Einnahmen nicht davonlaufen" und die Staatsfinanzen tragfähig bleiben.

Die Bundesbank schlägt in dieselbe Kerbe: "Die gegenwärtig sehr guten Finanzierungskonditionen und die damit verbundenen relativ geringen Zinsausgaben sollten ... nicht darüber hinwegtäuschen, dass hohe Schuldenstände künftige Haushalte belasten. Ein ambitionierter fiskalischer Kurs ist hier besonders angezeigt, um auch für eine Normalisierung des Zinsniveaus gewappnet zu sein."

(red/APA)

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