Malta: Frühest besiedelt, strategisch im Meer

Elderly people sit on a bench in front of the Auberge de Castille in Valletta
Elderly people sit on a bench in front of the Auberge de Castille in Valletta(c) REUTERS (DARRIN ZAMMIT LUPI)
  • Drucken

Die Insel ist dicht besiedelt, schnell durchkreuzt und doch voller Überraschungen. Hauptstadt Valletta bereitet sich auf das kommende Europäische Kulturstadtjahr vor.

Wie eine Hauptstadt wirkt Valletta ja gar nicht: Die nur 5700 Einwohner fassende ehemalige Ritter-Festung hat man in wenigen Minuten durchschritten, und kaum hat man sie hinter sich gelassen, findet man sich schon mitten im nahtlos ineinander übergehenden Städtekonglomerat im Nordosten von Malta wieder.

Die kleinste Hauptstadt der EU wird 2018 europäische Kulturhauptstadt. Vor Ort merkt man noch wenig davon: Für das Kulturjahr sind vor allem Festivals und Veranstaltungen geplant, die alte Markthalle und einige Häuser werden restauriert, städtebaulich wird sonst kaum eingegriffen. Vielleicht, weil die Bewohner von solchen Eingriffen schon genug hatten in den letzten Jahren. Dass der italienische Architekt Renzo Piano 2014 kein klassisches Stadttor schuf, sondern ein modernes Konstrukt aus langen Metallnadeln, die an Ritter des Johanniter-Ordens erinnern sollen, erregte die Gemüter. Dazu gab es, gleich am angrenzenden Platz, ein neues Parlamentsgebäude: Ein monumentaler Block aus dem auf Malta allgegenwärtigen Kalksandstein ruht auf massiven grauen Stehern, die Fassade prägt ein wabenförmig hineingearbeitetes Muster. Der Bau fügt sich erstaunlich natürlich ins barocke Stadtbild. Auch daneben hat Piano seine Handschrift hinterlassen: Die Oper der Stadt wurde 1942 zerbombt, seitdem steht da eine Ruine, die lange als Parkfläche genutzt wurde. Piano machte eine Freilichtbühne daraus – auch sie wird 2018 intensiv genutzt werden.

Zu bewundern gibt es noch den Ausblick auf den natürlichen Hafen, der Valletta umgibt, auf sandfarbene Fassaden mit den typischen bunten Holzbalkonen – und die prunkvolle St. John's Co-Cathedral mit ihren Geschichten erzählenden Grabplatten und den beiden Caravaggio-Gemälden. 150 Jahre britisches Regiment haben nicht nur Englisch als Amtssprache (im Alltag wird Maltesisch, das mit dem Arabischen verwandt ist, gesprochen), sondern auch rote Telefonzellen hinterlassen. Zum Flanieren laden die Straßen voller Juweliere und Souvenirshops aber weniger ein. Da gibt es schönere Flecken auf Malta, der nächste ist nur eine kurze Bootsfahrt über den Hafen entfernt: Nach Vittoriosa geht es über glasklares Wasser, etwa mit einem der Wassertaxis, motorisierte Gondeln, die an der Waterfront knapp außerhalb des Stadtgebiets ablegen.

Mit etwas Glück kommt man dabei auch mit einem Malteser Original ins Gespräch, dem Gondolier Gerald etwa, der einem stolz ein Foto von sich und Brad Pitt zeigt. Der war 2003 auf Malta, um hier „Troja“ zu drehen, Gerald war als Statist im Einsatz, die Erinnerungen daran trägt er in einer Mappe immer bei sich. Auf einem Foto ist Pitt zu sehen, wie er am Rand eines Schiffs steht und einen Kübel ins Meer leert. Dass es an Bord kein Klo gebe, habe er Pitt erklären müssen, grinst Gerald und reicht zum Aussteigen die Hand.

Großer Fleckerlteppich

Vittoriosa bietet herausgeputzte Gässchen mit schmiedeeisernen Gittern und Blumentöpfen vor den Haustüren, die Stromleitungen vor den Dächern sind aufgereiht wie Gitarrensaiten. Die Stadt ist eine der ältesten der Insel – man ahnt nicht, dass sie noch immer vornehmlich eine Arbeitergegend ist.

Auch hübsch, aber vergleichsweise ausgestorben ist Mdina: Einst Sitz von Adel und Klerus, dient die kaum bewohnte Stadt heute als schmucke Kulisse für „Game of Thrones“. Von einem Aussichtspunkt sieht man an klaren Tagen bis nach Sizilien, an anderen immerhin über die Insel: Ein Fleckerlteppich aus Weizenfeldern, Wein-, Olivenplantagen und Gemüsefeldern, die im trockenen Sommer brach liegen, oft terrassenartig angelegt und getrennt von kleinen Steinmäuerchen. Im Frühling wäre die Landschaft entzückend – nur viel davon gibt es nicht: Malta ist dicht besiedelt, 1400 Menschen teilen sich einen Quadratkilometer (in Österreich sind es 105). Die Bewohner nehmen den Mangel an Idyll anscheinend mit Humor: Einen aufgeschütteten Strand am Rande eines Containerhafens nennen sie etwa liebevoll „Pretty Bay“. Und trösten: Unberührte Landschaften und schönere Badeorte gebe es auf der Nachbarinsel Gozo, die – im Vergleich zur touristisch geprägten und gerne von Sprachschülern und Reisegruppen besuchten Hauptinsel – immer noch als Geheimtipp gilt.

52 Prozent Kirchgänger

Dafür sind auch auf Malta die Wege kurz. Wer – Achtung, Linksverkehr! – durch die Insel fährt, fährt nie lange, 36 Kilometer sind das Maximum. Salzige Brisen begleiten einen. Unterwegs fällt der Blick auf die Kirchen, deren Fassaden oft mit Lichterketten und Girlanden geschmückt sind, in den Farben der vielen Heiligen, die man hier verehrt. Malta ist äußerst katholisch geprägt: Bis 2011 waren Ehescheidungen verboten, Abtreibungen sind es nach wie vor. Als einziges Land der EU ist der Katholizismus hier verfassungsrechtlich verankert. 52 Prozent der Malteser seien jeden Sonntag in der Kirche anzutreffen, erzählt die Reiseleiterin. Am lohnendsten ist auf der Insel aber der Besuch einer anderen religiösen Kultstätte, einer der ältesten der Welt: Die Tempelanlage Haġar Qim wurde in der Jungsteinzeit von einem geheimnisvollen Volk gebaut, über das man bis heute kaum etwas weiß. Sehenswert.

Die Präsenz der Engländer hat übrigens auch kulinarische Spuren hinterlassen: Mediterrane Kost – durchaus mit orientalischen Noten – trifft auf die Herzhaftigkeit der britischen Küche. Das Ergebnis mundet vorzüglich. Auf den Speisekarten stehen cremige Pasta mit Meeresfrüchten, gegrillter Fisch, immer wieder auch geschmorter Hase, ein Nationalgericht. Die Portionen sind auf der ganzen Insel riesig. Wer danach noch ein Dessert schafft, dem sei Imqaret empfohlen: Mürbe Teigtaschen mit einer würzigen, gar nicht allzu süßen Dattelfüllung. Köstlich!

KLEIN UND KOMPAKT

Anreise: Mit Eurowings Wien-Malta, www.euowings.com

Event: Valletta wird 2018 Europäische Kulturhauptstadt sein Programm: valletta2018.org/

Malta-Info:www.urlaubmalta.com

Die Reise wurde vom Fremdenverkehrsamt Malta und Eurowings unterstützt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Ein (dänischer) Hotspot im Kulturstadtjahr 2017: das ARoS-Aaarhus-Kunstmuseum.
Reise

Was kostet den Reisenden die EU-Kultur?

Ein Citytrip in die jüngeren Europäischen Kulturhauptstädte variiert stark im Preis. Nicht nur im eigentlichen Austragungsjahr, sondern auch in der Nachhut. Budgets von Malta bis nach Leuwaarden.
Blick auf Valetta
Reise

Malta: Fashion, Fusion und Notte Bianca

Valetta ist 2018 Europäische Kulturhauptstadt, teilt den Titel aber gern mit der Schwesterinsel des kleinen Archipels.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.