ÖVP macht bei strengeren Strafen Ernst

Gewalt in der Beziehung
Gewalt in der Beziehung(c) APA/Jšrg Lange
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Justizminister Brandstetters Pläne für eine Neuregelung bei Gewaltdelikten stehen vor dem Abschluss. Das passiert nicht zufällig im Wahlkampf. Über den Ausbau der Überwachung soll nun mit der SPÖ verhandelt werden.

Wien. Die ÖVP erhöht das Tempo bei der Umsetzung ihrer Justiz- und Sicherheitsvorhaben. Nachdem ÖVP-Chef Sebastian Kurz Anfang August auf härtere Strafen für Gewaltdelikte gedrängt hat, befinden sich die Arbeiten daran im Justizministerium „in der Endphase“, wie der „Presse“ bestätigt wurde. Bereits in dieser Woche dürfte ein entsprechendes Papier mit Details fertiggestellt werden. Auch beim Sicherheitspaket könnte es Bewegung geben. Nach positiven Signalen von Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) sieht das Justizressort neue Chancen auf Verhandlungen. Ein Überblick.

Härteres Strafrecht

Auslöser der Debatte über eine Reform der Strafrechtsbestimmungen war ÖVP-Chef Kurz, der mitten im Nationalratswahlkampf lange vor der für September angekündigten Präsentation seines Wahlprogramms mit der Forderung nach strengeren Strafen für Gewaltdelikte vorgeprescht ist. Er war Anfang August dafür eingetreten, insbesondere Verbrechen gegen Frauen und Kinder strenger zu bestrafen. Hintergrund waren in der Öffentlichkeit als milde empfundene Gerichtsurteile nach Vergewaltigungen.

Justizminister Wolfgang Brandstetter, der für die ÖVP seit Mai auch Vizekanzler in der rot-schwarzen Koalitionsregierung ist, wurde von Kurz beauftragt, ein entsprechendes Papier für Neuerungen im Strafrecht auszuarbeiten. Fixpunkt ist eine Anhebung der Untergrenzen bei Strafen wegen Delikten gegen Leib und Leben. Details wollte man im Justizministerium noch nicht preisgeben. SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim hat sich offen gezeigt für härtere Strafen bei Sexualdelikten. In Expertenkreisen sowie von Richtern hatten die Pläne des Justizressorts allerdings für Kopfschütteln und Kritik gesorgt, da eine Reform des Strafrechts erst 2016 in Kraft getreten ist. Damals war die Verhältnismäßigkeit der Strafen für Vermögensdelikte und Verbrechen gegen Leib und Leben geändert worden, indem bei Letzteren der Strafrahmen erhöht wurde.

Trotz der neuerlichen politischen Bemühungen, das Strafrecht zu verschärfen, ist eines klar: wegen der notwendigen Begutachtungszeit ist ein Beschluss strengerer Strafen für Gewaltdelikte vor der Wahl am 15. Oktober praktisch ausgeschlossen.

Offensive gegen FPÖ

Politisch betrachtet will die ÖVP mit den Verschärfungen des Strafrechts vor allem der FPÖ im Nationalratswahlkampf weniger Angriffsfläche bieten und das Wasser abgraben. Von FPÖ-Seite waren in der Vergangenheit mehrfach Forderungen nach härteren Strafen bei Verbrechen gegen Frauen und insbesondere Jugendliche gekommen. Anlass dafür waren nicht zuletzt einige Straftaten, die von Asylwerbern in Österreich in den vergangenen Monaten begangen worden sind. Die FPÖ hat darüber hinaus allerdings noch weitergehende Forderungen an Justizminister Brandstetter. Die Freiheitlichen drängen schon seit Längerem auf strengere Regeln für jugendliche Straftäter. In einem von der FPÖ intern beschlossenen Maßnahmenpaket wird unter anderem eine Anhebung des Strafrahmens im Jugendstrafrecht verlangt. Weiters soll die Strafmündigkeit angepasst werden, was auf ein Senken des Alters unter 14 Jahre hinausliefe. Schließlich gibt es zumindest die Überlegung innerhalb der FPÖ, dass Jugendliche in Extremfällen nach deutschem Vorbild im Wege des Jugendamtes in eigenen Heimen „eingesperrt“ werden sollen.

Verhandlungen zu Sicherheitspaket

Die ÖVP und Justizminister Brandstetter haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass es noch vor der Nationalratswahl zu einem Gesetzesbeschluss über ein Sicherheitspaket kommt. Diesbezüglich macht Brandstetter auch als Vizekanzler gemeinsam mit Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) seit Wochen starken Druck auf den Regierungspartner SPÖ. Zentraler Inhalt dieses Gesetzespakets ist unter anderem die umfangreichere Überwachung der Kommunikation im Internet, von WhatsApp und Skype.

Die Differenzen mit der SPÖ betreffen vor allem die technischen Möglichkeiten zur Durchführung einer solchen Überwachung. In der SPÖ gibt es dabei zwei Strömungen. SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim sieht keine Chance, dass das Sicherheitspaket in der von der ÖVP geplanten Form auch nach intensiver Kritik in der Begutachtung umgesetzt wird. Über manche Punkte ist aber auch Jarolim verhandlungsbereit. Deutlich offener zeigt sich hingegen auf SPÖ-Seite Verteidigungsminister Doskozil. Von dem SPÖ-Ressortchef gab es zuletzt ausdrücklich „kein absolutes Nein“ zu den ÖVP-Vorhaben. Denn der Exekutive müssten alle Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um den Herausforderungen durch den Terror begegnen zu können. Die ÖVP argumentiert ebenfalls damit, dass verstärkte Überwachungsmöglichkeiten beispielsweise in Deutschland zur Verfügung stünden. Justizminister Brandstetter wird die Bereitschaft der SPÖ zu Gesprächen aufgreifen. Noch in dieser Woche wird es, wie der „Presse“ im Justizressort erläutert wurde, die Einladung an die SPÖ zu entsprechenden Verhandlungen geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2017)

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