Jackson-Hole-Treffen: Ratlose Notenbanker in den Bergen

Governor of the Bank of Japan Kuroda, United States Federal Reserve Chair Yellen and President of the European Central Bank Draghi pose for a photo during the annual central bank research conference in Jackson Hole
Governor of the Bank of Japan Kuroda, United States Federal Reserve Chair Yellen and President of the European Central Bank Draghi pose for a photo during the annual central bank research conference in Jackson Hole(c) REUTERS (REUTERS)
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Die Inflation steigt trotz guter Konjunktur nicht an. Die Chefs der Zentralbanken wissen nicht weiter. Aber Trump entdeckt seine Liebe zu Fed-Chefin Yellen.

Wien/Jackson Hole. Zuweilen lässt gerade das aufhorchen, worüber tunlichst geschwiegen wird. Die Chefs der mächtigsten Zentralbanken der Welt schafften bei ihren mit Spannung erwarteten Reden auf dem alljährlichen Kollegentreffen in Jackson Hole etwas Bemerkenswertes: Sie sprachen über alles Mögliche, warnten vor Protektionismus und weniger Bankenregulierung – aber über ihr eigentliches Geschäft, die geldpolitische Steuerung, verloren sie kein Sterbenswort.

Erst in der Fragerunde blieb es EZB-Präsident Mario Draghi nicht erspart, ein wenig Farbe zu bekennen – wenn auch in aller gebotenen Blässe: „Wir haben bislang noch keine selbsttragende Annäherung der Inflation an das mittelfristige Ziel gesehen“, deshalb sei „ein erhebliches Ausmaß“ an Unterstützung „weiterhin gerechtfertigt“. Sprich: Die von den europäischen Sparern sehnlichst erhofften höheren Zinsen liegen in weiter Ferne. Und dass der EZB-Rat an seiner Planung festhält, das Anleihenkaufprogramm mit Dezember zu beenden, wird immer unwahrscheinlicher. Ähnlich deuten Experten das Schweigen von Janet Yellen: Der für Herbst angekündigte nächste Zinsschritt in den Vereinigten Staaten dürfte wohl ausbleiben. Wie die Protokolle der jüngsten Fed-Sitzungen zeigen, herrscht in der US-Notenbank zu diesem Thema eine noch selten gesehene Uneinigkeit.

Wenn man nicht mehr weiter weiß, macht man sicherheitshalber vorerst gar nichts. Warum die Ratlosigkeit? Die Geldpolitiker sind mit ihrer Schulbuchweisheit am Ende. Die Konjunktur springt weltweit an. Die Arbeitsmärkte in den USA und beim wichtigsten Euro-Mitglied Deutschland sind leer gefegt, es herrscht fast Vollbeschäftigung. In einer solchen Situation sollte fast zwangsläufig auch die Inflation zulegen – so lehrt es die Vergangenheit, so lehrt es die Theorie. Denn wenn die Nachfrage nach Arbeitskräften groß ist, steigt die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften. Sie können kräftige Lohnsteigerungen durchsetzen. In der Folge müssen die Unternehmen ihre Kalkulation anpassen und höhere Preise verlangen. Eine allgemein anziehende Teuerung wäre Anlass für die EZB, von ihrer Nullzinspolitik Abschied zu nehmen. Aber die ersehnte Wende lässt auf sich warten: Die Inflation im Euroraum verharrt bei 1,3 Prozent, weit unter der Zielmarke von zwei Prozent. Ähnlich in den USA, wo der Zyklus steigender Zinsen, der schon im Dezember 2015 begann, deshalb ins Stocken gerät.

Starker Euro macht Sorgen

Draghi verwies auf die Löhne, die zu langsam steigen. Zuletzt hatten die EZB und sogar die Deutsche Bundesbank, ungewöhnlich genug, die Gewerkschaften zu höheren Abschlüssen ermuntert. Vielleicht ist Draghi die Verzögerung aber auch willkommen: Die robuste Konjunktur in Europa und die Aussicht auf ein Ende des billigen Geldes haben den Euro zum Dollar seit Jahresbeginn um über 13 Prozent zulegen lassen. Steigt er bei einer tatsächlichen Straffung noch mehr, haben Europas Exporteure ein Problem. Auch deshalb wohl die Devise: Lieber noch zuwarten. Was freilich irgendwie auch im Raum steht, zumindest bei Querdenkern: Eine Senkung des Inflationszieles von zwei auf ein Prozent.

Immerhin: In Sachen Bankenregulierung fand Yellen klare Worte. Diese habe sich bewährt, das Finanzsystem widerstandsfähiger gemacht und den Kreditfluss nicht übermäßig eingeschränkt. Also dürfe man Änderungen, wenn überhaupt, nur sehr behutsam vornehmen. Das kann der Trump-Administration, die Lockerungen plant, nicht gefallen. Nun meinten bisher die meisten: Die linke Demokratin ist ohnehin ein Auslaufmodell. Trump, der sie schon im Wahlkampf beschimpft hatte, dürfte ihr nach dem Ende ihrer ersten Amtszeit Ende Jänner keine zweite gewähren – ganz entgegen der Tradition. Aber dass sie nun die Zinsen länger als erwartet fast im Keller hält, behagt dem Herrn im Weißen Haus, der sich die Konjunktur nicht abbremsen lassen will. „Ich mag sie“, gestand er jüngst dem „Wall Street Journal“, weil sie ein „Niedrigzins-Mensch“ sei. Wenn die neu entdeckte Zuneigung anhält, darf Yellen womöglich auch noch in den nächsten Jahren ihre Kollegen in den Rocky Mountains begrüßen. (gau)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2017)

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