Wohnen: Ein besserer Platz zum Leben

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Höhere Ansprüche und die Entwicklung in der Alterspyramide erfordern ein Nachdenken über neue Wohnformen für ältere Menschen. Eine davon ist die Senioren-WG.

Drei barrierefreie Wohnungen zu je 185 Quadratmeter. Ein Haushalt für 17 Senioren und ein Zusammenleben, wie man es von Studenten kennt, bloß zugeschnitten auf die individuellen Wünsche und Bedürfnisse der älteren Generation. Seit Dezember 2006 bieten in Graz die „Neue Lebensräume GmbH“ und das Land Steiermark diese neue Form der betreuten Wohngemeinschaft an. Ziel der gemeinnützigen Organisation ist es, ein attraktives Wohnmodell für Pensionisten ab dem 59. Lebensjahr anzubieten. Für Menschen, die aus körperlichen, seelischen oder sozialen Gründen nicht alleine wohnen wollen oder können. Das Motto: Lebensqualität durch Selbstständigkeit und Individualität, Lebenserleichterung durch gezielte Rundumversorgung. So sieht das Grazer Modell einer Senioren-WG ein Grundleistungs- und ein Wahlleistungsangebot vor. Als Grundleistungen werden etwa Information, Beratung und Unterstützung bei organisatorischen Angelegenheiten sowie ein 24-Stunden-Notdienst verstanden. Im Bedarfsfall ist Krankenpflege möglich. Für Abwechslung im Alltag sorgen Serviceangebote wie Gedächtnistraining, Singen, Turnen etc. Möchten die Bewohner Essensservice oder hauswirtschaftliche Hilfe, nehmen sie eine sogenannte Wahlleistung in Anspruch, für die es extra zu bezahlen gilt.

Auswege aus der Isolation

„Betreute Wohngemeinschaften sind Teil einer nachhaltigen Zukunftsentwicklung“, meint dazu Karl Trummer, Geschäftsführer von „Neue Lebensräume“. Und spielt dabei auf eine Anpassung an die demografische Entwicklung an, die nicht nur in Österreich in Richtung Umkehrung der Alterspyramide geht.

Die Nachhaltigkeit bezieht sich auch auf die Erhaltung attraktiver Lebensräume in den Gemeinden. Wer den Lebensabend in seiner Heimatgemeinde verbringt, trägt zur Stärkung der Kaufkraft und zur Schaffung neuer Beschäftigungsmöglichkeiten bei.

„So selbstständig wie möglich mit so viel Hilfe wie nötig“, lautet die Grundidee – eine Alternative zu den Alten- und Pflegeheimen, die bis vor wenigen Jahren noch den einzigen Ausweg für ältere Menschen darstellten, um auf steigende Hilfsbedürftigkeit, Kontaktarmut und Isolation zu reagieren. Speziell in der Bundeshauptstadt mehren sich die Einrichtungen der betreuten Seniorenwohngemeinschaften. Caritas Socialis, Wiener Hilfswerk, Wiener Sozialdienste Alten- und Pflegedienste oder Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser, so heißen die größten Anbieter von Wohngemeinschaften für zumeist vier bis acht Personen. Geboten werden ein eigenes Zimmer für jeden Bewohner, Gemeinschaftsküche und -wohnzimmer sowie soziale Dienste (Essen auf Rädern, Heimhilfe, Hauskrankenpflege etc.), die bei Bedarf in Anspruch genommen werden. Als Voraussetzung gelten ein Wohnsitz in Wien und die Pflegestufe 1 oder höher. Die Kosten variieren je nach Ausstattung der Wohnungen und sind grundsätzlich von den Bewohnern selbst zu tragen. Bei geringem Einkommen besteht die Möglichkeit, eine Mietbeihilfe zu beantragen. Der Kostenbeitrag für soziale Dienste ist vom Einkommen, der Höhe des Pflegegeldes sowie der Anzahl der benötigten Stunden abhängig. Die genaue Berechnung erfolgt durch das Beratungszentrum „Pflege und Betreuung zu Hause“.

Im vertrauten Umfeld

„Unsere Philosophie ist es, älteren Wienern komfortable Wohnungen anzubieten, in denen sie frei von beschwerlichen Alltagsarbeiten wohnen und sicher leben können“, meint Gerda Füricht-Fiegl vom Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser. Die Palette der 31 „Häuser zum Leben“ für rund 9400 Bewohner reicht vom selbstständigen über „Betreutes Wohnen“ im eigenen Apartment bis zur Rund-um-die-Uhr-Betreuung in einem eigenen Pflegebereich. Zum Standard gehören wöchentliche Apartmentreinigung, Vollverpflegung mit Frühstücks- und Mittagsbuffet, kaltem und mindestens einmal wöchentlich auch warmem Abendessen sowie ein möglichst abwechslungsreiches Veranstaltungs- und Animationsprogramm. Die Betreuungs- und Hilfeleistungen können entweder im Apartment oder in Bereichen der stationären Pflege in Anspruch genommen werden. „Der Umstand, dass jene, die zum Pflegefall werden, nicht mehr unbedingt in eine Pflegestation übersiedeln müssen, sondern auch im Apartment bleiben können, ist ein großer Vorteil unseres Modells“, weiß Füricht-Fiegl. So werde im vertrauten Umfeld der Einsamkeit ein Schnippchen geschlagen.

Aufstockung betreuter Plätze

Insgesamt 4000 Betreuungs- und Pflegewohnplätze sollen in Wien bis zum Jahr 2015 in neu errichteten Wohnhäusern hinzukommen. Eine Maßnahme, um sich unter anderem dem Rückgang bei der unbezahlten, informellen Pflege entgegenzustemmen. Und ein Beitrag, um auch der Gruppe der hochbetagten Menschen (über 85 Jahren) eine Chance auf einen lebenswerten letzten Lebensabschnitt zu gewähren. Dass deren Anzahl von derzeit 35.000 auf geschätzte 80.000 im Jahre 2050 explodieren soll, zeigt die Notwendigkeit an weiteren Plätzen auf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2009)

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