Interkulturalität: „Fehler sind schwer wiedergutzumachen“

Kulturelle Unterschiede führen leicht zu Missverständnissen. Einschlägige Kurse können helfen, die interkulturellen Skills zu schärfen.
Kulturelle Unterschiede führen leicht zu Missverständnissen. Einschlägige Kurse können helfen, die interkulturellen Skills zu schärfen.REUTERS
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Wie man die eigene „Kulturbrille“ ablegt und ohne Missverständnisse kommuniziert, lässt sich lernen. Die Lektionen heißen Selbstreflexion, Perspektivenwechsel und Verlassen der Komfortzone.

Dass eine fundierte Ausbildung, die Bereitschaft sich weiterzubilden, Erfahrung sowie soziale Skills für den Berufserfolg entscheidend sind, steht außer Frage. In Zeiten der Globalisierung und starker Migrationsbewegungen kommt mit interkultureller Kompetenz ein weiterer Schlüsselfaktor für eine erfolgreiche Karriere beziehungsweise für den Unternehmenserfolg hinzu.

Was genau versteht man konkret unter interkultureller Kompetenz? „Das bedeutet ein tief gehendes Verständnis der Wertvorstellungen anderer Kulturen zu haben, die Bereitschaft, die eigene ,Kulturbrille‘ abzulegen und sich fremden Perspektiven zu öffnen“, sagt Heino Sieberath, Geschäftsführer von Berlitz Austria. Dabei gehe es nicht um oberflächliche Do's & Don'ts, sondern vielmehr um den Kern aktueller Verhaltensweisen zu verstehen, die auf einer Kombination aus Tradition und Modernem basieren.

Berlitz vermittelt seit mittlerweile 25 Jahren Trainings für interkulturelle Kompetenzen. Dieses Angebot habe sich aus dem Kontext des Fremdsprachenlernens heraus entwickelt. „Wir haben oft die Erfahrung gemacht, dass unsere Kunden bereits gute Vorkenntnisse einer Fremdsprache besitzen, aber die interkulturelle Kompetenz für eine perfekte Kommunikation mit anderen Kulturen fehlt“, so Sieberath. Dass dies vor allem in der Wirtschaft von hoher Bedeutung sei, stehe außer Frage. Schließlich gebe es viele Beispiele dafür, dass Missverständnisse auf Basis von interkulturellen Differenzen fatale Folgen haben können.

Urlaubserfahrung nicht genug

„In unserer täglichen Beratungstätigkeit stellen wir fest, dass vor allem Unternehmen, die mit exotischen Kulturen interagieren, eine höhere Sensibilisierung für das Thema aufbringen“, so Sieberath. Umso größer sei die Gefahr bei vermeintlich bekannten Kulturen – etwa europäischen –, in ein Fettnäpfchen zu treten. „Man kennt sie etwa durch Urlaubsreisen, aber die Arbeitswelt, die Arbeitsethik sowie die berufliche Kommunikation sind vielfach anders“, so der Experte. Nachsatz: „Fehler sind meist nur schwer wiedergutzumachen.“

Karin Schreiner, Lektorin für Interkulturelle Kommunikation & Management an den Unis Wien und Graz sowie Fachhochschulen in Wien, Linz und Kufstein erklärt: „Wer interkulturelle Kompetenz aufbauen möchte, muss offen sein, sich auf andere einzulassen“, so Schreiner. Die Basis dafür sei ein Perspektivenwechsel. Dazu benötige man Empathie und ein hohes Maß an Sozialkompetenz – und damit Eigenschaften, die jede Führungskraft aufweisen sollte. Beim Aufeinandertreffen mit anderen Kulturen gehe man normalerweise vom eigenen Weltbild aus. „Diese Dichotomie – wir und die anderen– muss man hinter sich lassen“, sagt Schreiner. Erst durch Selbstreflexion wären Aha-Erlebnisse möglich.

In die gleiche Kerbe schlägt Agnieszka Trnka-Kwiecinski, Leiterin des berufsbegleitenden Masterlehrgangs Interkulturelle Kompetenzen der Donau-Universität Krems. „Je stabiler man in sich ist, desto besser kann man anderen Menschen, die nicht so sind, entgegentreten“, sagt sie. Wichtig sei es dabei, mit ihnen auf Augenhöhe zu sein und sich mit ihrer Art vertraut zu machen – sowohl auf der Mikro- als auch auf der Makroebene. „Der Erfolg wird letztlich davon abhängen, wie sehr man bereit ist, die eigene Komfortzone zu verlassen und sich auf positive und negative Irritationen einzulassen“, so die Expertin.

„Interkulturelle Kompetenzen“, wird seit mehr als zehn Jahren an der Donau-Universität angeboten. „Dabei handelt es sich um eine Ausbildung für Menschen, die aus völlig unterschiedlichen Bereichen – etwa Management, Training oder psychosozialen Berufen – sowie Studiendisziplinen kommen“, so Trnka-Kwiecinski. Ihr und dem Koleiter Michael Fasching gehe es darum, einen transdisziplinären Perspektivenwechsel einzuleiten beziehungsweise in verschiedenen Ausbildungen bereits erworbenes Wissen und soziale Skills zu verfeinern.

Bei den von Schreiner angebotenen Trainings geht es in einem ersten Schritt darum – sofern nicht bereits vorhanden –, ein kulturelles Bewusstsein aufzubauen und die eigene Kultur zu reflektieren. „Das ist extrem wichtig, um kulturelle Unterschiede wahrzunehmen und auch Vorurteile abzubauen.“ In einem zweiten Schritt lerne man, gegenüber einer anderen Kultur eine ethnorelativistische Haltung einzunehmen und zu erkennen, dass diese anders wären, ohne sie abzuwerten. In einem dritten Schritt gelte es letztlich, Kulturwissen zu vermitteln – etwa über Kulturgeschichte, Geografie, Politik und Arbeitsalltag.

Online-Selbsttest

Bei Berlitz arbeitet man seit fast zehn Jahren mit der Onlineplattform Cultural Navigator. Wie Sieberath erklärt, handle es sich dabei um eine Art Ist-Analyse der eigenen Kultur, die das Herzstück der angebotenen Dienstleistungen im interkulturellen Trainingsbereich sei. Der ebenfalls verwendete Cultural Orientation Indicator (COI) sei wiederum ein Onlinebewertungstool, mit dem man sein persönliches Kulturprofil in einen professionellen Kontext setzen könne. „Mit dem Ergebnis – dem COI-Profil, das die drei Dimensionen Interaktionsstil, Denkweise und Selbstwahrnehmung abdeckt– können die Trainingsteilnehmer kulturelle Unterschiede leichter ausmachen und schnell erkennen, wie sie mit internationalen Kollegen und Geschäftspartnern besser zusammenarbeiten können“, erklärt Sieberath.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.09.2017)

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