Fernseh-Beobachtungen

Kaum Urlaub im "Sommergespräch"

'Sommergespräche', 'Tarek Leitner im Gespräch mit Christian Kern
'Sommergespräche', 'Tarek Leitner im Gespräch mit Christian Kern(c) ORF
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Das letzte ORF-"Sommergespräch" war ein sachlich-ruhiger Austausch zwischen Kanzler Kern und Moderator Leitner. Das inoffizielle Motto hieß wohl: "Augen zu und durch". Kern gestand "Fehler" ein, wenn auch nicht in der Urlaubs-Causa.

Bis Montagabend, 21 Uhr hatte sich gefühlt jeder Österreicher, jede Österreicherin zur aktuellen Causa Prima, dem bevorstehenden "Sommergespräch" zwischen Bundeskanzler Christian Kern und ORF-Moderator Tarek Leitner zu Wort gemeldet. Zur Erinnerung: Efgani Dönmez, bis Mai Mitglied der Grünen, seit Juli Kandidat auf Platz fünf der Liste Kurz, hatte mehrere Urlaube der beiden und ihrer Familien kritisiert. Eine Reise haben beide bestätigt, allerdings sei das im Sommer 2015 und Kern da noch nicht Kanzler gewesen. Bei zwei späteren Urlauben der Familien war einmal Kern, einmal Leitner nicht dabei. Egal wer in dieser Debatte wo Stellung bezog, sowohl Dönmez-Kurz-Kritiker wie -Befürworter als auch Kern-Leitner-Kritiker wie -Verteidiger waren ordentlich aufgeganselt und vor allem gespannt, was da jetzt in der Sendung passieren würde. 

Und, was bekamen sie zu sehen? Nun, ähem, ein Sommergespräch. Ohne Kuschelkurs und ohne Ring-Catchen, kurz gesagt. Leitner wirkte bei der Begrüßung gelöst, so als sei er froh, dass er nun endlich jenes Gespräch führen kann, das im Vorfeld für so viel Aufregung und Kritik gesorgt hatte. Es wäre interessant zu wissen, ob er oder sonst jemand im ORF irgendwann in Erwägung gezogen hatte, das Gespräch abzusagen. Aber Kneifen war offenbar keine Option. Stattdessen haben sich die beiden, aber vor allem der Kanzler, das indirekte Motto "Augen zu und durch" gegeben. Es ist nicht bekannt, wie die beiden sich im Sommer 2015 im Strandurlaub angeredet haben, und ob sie sich zu einem späteren Zeitpunkt ihr eventuell schon angewöhntes, formloseres "Du" wieder entzogen haben. In diesem schmucklosen Studio-Container vor dem Parlament und vor laufenden Kameras wählten sie jedenfalls das distanzierte "Sie". (Erklär das mal einem Amerikaner!)

Kern: "Ich finde das bedauerlich"

Leitner eröffnete den Abend mit einer Einleitungsfrage zum holprigen Wahlkampf der SPÖ: "Vor diesem Wahlkampf waren sie in den Medien viel gefeierter Hoffnungsträger, nicht nur für die Sozialdemokratie. (...) Seither ist es nicht immer ganz so rund gelaufen, wie sich das die SPÖ wohl erwartet hat. Wo war denn rückblickend aus ihrer Sicht die Wendung der Dinge vom Retter der SPÖ zur Realität der Politik?" Und dann war es der Kanzler, der in seiner ersten Antwort auf den Elefanten im Glasstudio zeigte, um ihn zur Maus zu erklären und Kritik am politischen Gegner einzustreuen: "Zunächst einmal möchte ich mich herzlich für die Gelgenheit bedanken, heute mit ihnen über wichtige inhaltliche Fragen zu diskutieren. Was wir beide ja nicht können ist, über gemeinsam Urlaube in meiner Kanzlerzeit zu diskutieren. Die hat es ja bekanntlich nicht gegeben. Ich finde das bedauerlich, dass der Außenminister und ÖVP-Chef und seine engsten Mitarbeiter da Unwahrheiten darüber verbreiten. Mir ist wichtig, ihnen zu versichern, wie hart sie auch fragen, ich werde mich danach sicherlich nicht wehleidig über den ORF beschweren, weil ich Respekt vor der journalistischen Arbeit habe." Interessanterweise ging Leitner auf diese Aussage nicht ein. Gar. nicht.

Kerns Antwort auf die eigentliche Frage lautete dann so: "Natürlich ist es so, dass man in den Umfragen lieber vorne ist, als auf dem zweiten Platz. Das ist richtig. Aber ich würde meinen, dass die Themen, die wir haben, geeignet sind, um das Land in eine gute Zukunft zu führen." Danach folgte ein ausgewogenes, in weiten Teilen nicht unbedingt spannendes, dann wieder inhaltlich sehr interessantes Gespräch über eben jene Themen. Kern warf häufig das Wort "Pardon" ein und erwähnte zwar seinen Herausforderer Sebastian Kurz einige Male, nannte aber nie dessen vollen Namen. Leitner unterbrach Kern zwar auch, aber deutlich weniger oft als vor drei Wochen Grünen-Bundessprecherin Ingrid Felipe und eine Spur weniger als FPÖ-Chef Strache und den ÖVP-Chef. Insgesamt gab sich der Kanzler ausgleichend statt angriffig, ganz als Staatsmann, und war spürbar mehr bei sich als bei anderen öffentlichen Auftritten zuletzt. Nur ein paar Mal ließ er inhaltlich aufhorchen, etwa damit, dass er die SPÖ in der Oppositionsrolle sieht, wenn sie bei der Wahl nicht auf Platz eins landen sollte.

Recht früh fragte Leitner, ob es nicht "auch viele handwerkliche Fehler" im aktuellen Wahlkampf gegeben habe, führte etwa das angebliche Engagement von Stefan Petzner (das Kerns Team dementiert hatte) und die falsche Einschätzung des vor kurzem in Israel verhafteten Beraters Tal Silberstein an. Der Kanzler sagte darauf: "Es sind sicher Fehler passiert, das ist richtig." Der Urlaub war da schon kein Thema mehr.

Leitner wandte sich in seiner Verabschiedung an das Publikum, dankte für "das große Interesse und die vielen Anregungen", die er per Email bekommen habe. Er hoffe jedenfalls, die Zuseher hätten "zumindest ein Stück weit mehr Orientierung bekommen". Einen Satz konnte man nur als Hinweis auf die Turbulenzen der vergangenen Tage lesen: "Ganz so zurückgelehnt und entspannt, wie ,Sommergespräche' sein können waren sie natürlich nicht zu jeder Minute. Aber das ist ohne Zweifel dem herannahenden Wahlkampf geschuldet." Einspruch, Herr Leitner! Hier naht nichts heran, wir sind schon mittendrin.

In einer früheren Version des Textes hieß es fälschlicherweise, der ORF habe die Diskussion in der "ZiB 2" als "Duett statt Duell" zusammengefasst. Das stimmt nicht. So wurde das TV-Duell zwischen Merkel und Schulz angekündigt. 

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