Der erste Teil der Wahlprogrammtrilogie von Sebastian Kurz: Neue Steuertarife und weniger Zuwanderer.
Wien. Der Termin war nicht zufällig gewählt. Erstens wird die Zeit knapp: In gut einem Monat findet die Nationalratswahl statt – und bis dahin will Sebastian Kurz sein Wahlprogramm in drei Teilen präsentieren. Die ersten Forderungen zu Wirtschaft, Steuern und Soziales machte er gestern publik. Und das führt uns zu zweitens: Gestern, Montag, fand auch das ORF-„Sommergespräch“ mit Bundeskanzler Christian Kern statt. Eine gute Gelegenheit für Kurz, einen Teil des Gesprächs zu dominieren – wenn nicht physisch, dann zumindest, was die Inhalte betrifft. Was will Kurz also, und wie will er es bezahlen? Das Programm im Überblick.
Lohn- und Einkommensteuern
Insgesamt verspricht Kurz eine Entlastung zwischen 11,7 und 12,7 Milliarden Euro pro Jahr. Hauptsächlich soll dies durch eine Senkung der Steuertarife auf Lohn und Einkommen geschehen. Allerdings nicht aller Tarife – denn die drei höchsten (also 48, 50 und 55 Prozent) sollen unangetastet bleiben. Dafür werden die restlichen Steuerstufen laut ÖVP-Plänen reduziert: Von 25 auf 20 Prozent, von 35 auf 30 Prozent, von 43 auf 40 Prozent. Das soll eine Entlastung von drei bis vier Milliarden Euro bringen. Die kalte Progression soll ebenfalls abgeschafft werden – also die schleichende Erhöhung der Steuern, weil die Löhne an die Inflation angepasst werden, die Tarife aber nicht. Das soll 1,6 Milliarden Euro bringen.
Wirtschaft und Unternehmen
Auch die Lohnnebenkosten sollen gesenkt werden, und zwar um drei Milliarden Euro. Die ÖVP fordert hier eine Halbierung der Unternehmerbeiträge zum Familienlastenausgleichsfonds. Eine Maßnahme aus der vergangenen Steuerreform will Kurz übrigens rückgängig machen: Die ÖVP fordert eine Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes für Übernachtungen von 13 auf zehn Prozent. Die Körperschaftsteuer (also Steuer auf Gewinne von Kapitalgesellschaften oder Stiftungen) soll bei nicht entnommenen Gewinnen abgeschafft werden, was rund eine Milliarde Euro kostet.
Sozialhilfe für Ausländer streichen
Grundsätzlich gilt für die ÖVP: Die Zuwanderung soll reduziert werden – vor allem durch den Schutz der EU-Außengrenze. Aber auch was Menschen aus anderen europäischen Ländern betrifft, sollen striktere Regeln gelten: „Zugang zu Sozialleistungen in Österreich sollte grundsätzlich erst nach fünf Jahren Aufenthalt möglich sein“, heißt es in dem Programm. Allerdings geht es dabei lediglich um die Mindestsicherung. Derzeit ist die Rechtslage so: Ein EU-Ausländer, der seinen Job verliert, kann schon nach einem Monat Aufenthalt die Mindestsicherung beantragen. Auch bei der Familienbeihilfe soll gespart werden: Lebt und arbeitet ein Elternteil in Österreich, leben die Kinder aber in einem anderen EU-Land, soll die Beihilfe an die dortigen wirtschaftlichen Verhältnisse angepasst werden. Sowohl diese sogenannte Indexierung als auch die Einschränkung der Mindestsicherung ist EU-rechtlich allerdings heikel.
Mindestsicherung reformieren
Apropos Mindestsicherung: Hier fordert die ÖVP eine einheitliche Lösung – im Vorjahr haben Bund, Länder und Regierungsparteien keine Einigung geschafft. Die Sozialleistung soll „für eine Bedarfsgemeinschaft“ (also großteils Familien) maximal 1500 Euro ausmachen. Prinzipiell soll es weniger Geld- und mehr Sachleistungen geben – insbesondere bei Wohnen, Energie, Lebensmitteln oder Deutschkursen. Für Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte (also Menschen ohne klassischen Asylgrund, die aber trotzdem bleiben dürfen) soll es eine eigene Mindestsicherung geben; sie erhalten maximal 560 Euro pro Einzelperson. Nach fünf Jahren, in denen sie mindestens zwölf Monate vollbeschäftigt waren, können sie laut ÖVP-Modell die volle Mindestsicherung beantragen.
Familie und Wohnen
Wenig überraschend spricht sich die ÖVP in dem Papier gegen neue Steuern aus: also weder auf Erbe noch auf Eigentum noch auf Vermögen. Für das erste Eigenheim sollen staatliche Nebenkosten abgeschafft werden: also die Grunderwerbsteuer oder die Eintragung ins Grundbuch. Für Familien soll es einen sogenannten Steuerbonus geben: Pro Kind können erwerbstätige Steuerzahler 1500 Euro bei der Arbeitnehmerveranlagung abziehen.
Gegenfinanzierung
Zwölf bis 14 Milliarden Euro hat die ÖVP als Gegenfinanzierung eingeplant. Wobei manche Berechnung mehr, manche weniger detailliert ausgearbeitet wurde. Vier bis fünf Milliarden Euro sollen durch ein höheres Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum einfließen. Die gleiche Summe könnte durch eine Ausgabenbremse eingespart werden. Und vier Milliarden soll eine Effizienzsteigerungen im System bringen. Der Stopp der Zuwanderung ins Sozialsystem, also unter anderem die Kürzungen bei der Mindestsicherung, soll laut ÖVP etwa 1,5 Milliarden bringen. Auch bei der Sozialversicherung will man sparen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2017)