ORF-Sommergespräch

Kern: Als Zweiter nur in Opposition

APA/HANS PUNZ
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Christian Kern distanziert sich im ORF-"Sommergespräch" von Rot-Blau und will nur als Wahlsieger in der Regierung bleiben. Nach dem verunglückten Kampagnenstart möchte die SPÖ voll auf die Zugkraft des Kanzlers setzen.

Wenn er Zweiter werde, gehe er in Opposition. Und eine rot-blaue Koalition sei Lichtjahre entfernt. Mit diesen beiden Aussagen wartete SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern am Montagabend im ORF-Sommergespräch auf. Zwei klare Botschaften, mit denen Kern sechs Wochen vor der Nationalratswahl noch das Steuer herumreißen möchte.

Das Sommergespräch stand diesmal unter besonderer Beobachtung, hatte die ÖVP doch in den vergangenen Tagen einen gemeinsamen Familienurlaub von Kern und ORF-Moderator Tarek Leitner in Spanien thematisiert. Dieser fand tatsächlich einmal statt. Allerdings hatten ORF und SPÖ schon vor der Sendung betont, dass Kern und Leitner entgegen erster Äußerungen des Kurz-Kandidaten Efgani Dönmez nicht mehr gemeinsam auf Urlaub waren, seit Kern Kanzler ist.

Kern selbst sprach das Thema zu Beginn von sich aus an und kritisierte die ÖVP. „Ich finde das bedauerlich, dass der Außenminister und ÖVP-Chef und seine engsten Mitarbeiter da Unwahrheiten darüber verbreiten“, meinte Kern. Das Gespräch zwischen ihm und Leitner sollte schließlich im ruhigen, professionellen Stil verlaufen. Zwischen Kurz und Leitner war das Gespräch eine Woche davor beiderseits ruppiger geführt worden, was ÖVP-Anhänger gegen Leitner aufgebracht hatte.

Hatte sich Kern nach seiner Kür zum SPÖ-Chef im Vorjahr von strikten Nein seiner Partei zu einer Koalition mit der FPÖ losgeeist, war er aber am Montag wieder bemüht, sich von dieser Koalitionsvariante zu distanzieren. Zwar schloss er Rot-Blau nicht kategorisch aus. Kern verwies aber darauf, dass inhaltlich zwischen den Parteien sehr große Unterschiede lägen. „Das ist eine artifizielle Diskussion über etwas, das Lichtjahre entfernt ist“, meinte Kern zu Rot-Blau.

Sicherheit, Soziales und Persönlichkeit

Kern nutzte das TV-Format, um seine Schwerpunkte im Wahlkampf hervorzuheben. Er betonte, aus einfachen Verhältnissen zu stammen, und versuchte, mit Sozialthemen zu punkten. Kern, wenngleich erst seit Mai 2016 als Kanzler im Amt, reklamierte auch die wirtschaftliche Trendwende für sich. Das Thema Sicherheit kam ebenfalls nicht zu kurz. Kern rühmte seinen Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, der als Sicherheitsminister in der nächsten Regierung die Bereiche Polizei und innere Sicherheit übernehmen solle. Soziales und Sicherheit: Themen, mit denen Kern einerseits beim linken, andererseits beim rechten Flügel der SPÖ-affinen Wähler punkten will.

Eine klare Ansage hatte Kern zu Ende des Gesprächs parat. Der Erste nach der Wahl solle die Regierung anführen. „Für mich ist das ganz klar“, sagte Kern. Wer Erster werde, solle den Bundeskanzler stellen. Und wenn die SPÖ nur Zweiter werde, dann werde er in Opposition gehen.

Ein Mobilisierungsaufruf des Kanzlers, der nicht von ungefähr kommt. Denn momentan weist die ÖVP in Umfragen einen klaren Vorsprung auf. Dass Kern betont, nur als Erster Kanzler bleiben zu wollen, ist auch ein Signal an mögliche Kern-Sympathisanten in der Wählerschaft der Grünen, der Neos und der Liste Pilz. Wer Kern und nicht Kurz oder gar Strache als Kanzler wolle, so die Botschaft, müsse auch SPÖ wählen. Bei der Wiener Gemeinderatswahl 2015 hatte die SPÖ eine solche Taktik (Häupl oder Strache) erfolgreich verfolgt, die SPÖ erhielt viele sogenannte Leihstimmen von Grün-Wählern.

Bisher ist der Wahlkampf der Sozialdemokraten eher unglücklich verlaufen. Kurz hat mit seiner Aufkündigung der Koalition Tatsachen geschaffen – die SPÖ konnte nur reagieren. Der Kanzler, so der Wunsch in der Sozialdemokratie, soll den Trend noch mit seiner Persönlichkeit und mit TV-Auftritten wie jenem am Montag umdrehen.

AUF EINEN BLICK

Wahlkampfauftakt. Der Wahlkampf läuft zwar schon seit Monaten, die offiziellen Auftaktveranstaltungen beginnen aber jetzt. Den Beginn machten die Grünen am Montag im Vienna Ballhaus in Wien. Am Donnerstag startet die SPÖ in der Stadthalle in Graz. Am Freitag beginnen die Neos vor der Wiener Wirtschaftsuniversität mit dem Intensivwahlkampf. Die FPÖ hält ihren Wahlkampfauftakt am 16. September in Wels ab. Als letzte Partei macht die ÖVP ihre offizielle Auftaktveranstaltung am 23. September.

Expertenanlalyse in der ZiB2 mit "Presse"-Chefredakteur Rainer Nowak

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