Was bringt einer kinderlosen Friseurin das ÖVP-Programm?

Symbolbild: Friseurin
Symbolbild: Friseurin(c) imago/Ikon Images (Jacquie Boyd)
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Spitzenkandidat Sebastian Kurz verteidigt in der ORF-Sendung "ZiB2" sein Programm - insbesondere, dass er "Sterben nicht besteuern" will. In der "Bild"-Zeitung spricht er sich gegen den Zollunion-Ausbau mit der Türkei aus.

ÖVP-Parteiobmann und Spitzenkandidat Sebastian Kurz hat am Dienstag den ersten Teil seines Wahlprogramms vorgestellt – und dabei betont, es sei speziell für Klein- und Mittelverdiener gedacht. In der „ZiB2“ am Dienstagabend versuchte er diese Aussage zu rechtfertigen. Auf die Frage, was denn nun eine Friseurin oder ein Kellner, die 1500 Euro brutto im Monat verdienen und keine kleinen Kinder haben, von den schwarzen Vorhaben hätten – oder ein Pensionist mit 1500 Euro Pension – antwortete Kurz: „Wie Sie wissen, sehen wir vor allem eine Senkung der Lohn- und der Einkommensteuer vor.“ Man wolle die untersten Steuerklassen von 25 auf 20, von 35 auf 30 uns von 42 auf 40 Prozent senken.

Auf die Frage von ORF-Moderator Armin Wolf, was das nun der zitierten Friseurin bringe, meinte Kurz: „Ab dem Zeitpunkt, ab dem Sie Steuern zahlen, profitieren Sie davon.“ Jemand, der 2500 Euro brutto verdiene, profitiere mit ungefähr 1000 Euro pro Jahr. Wolf darauf: „Jemand, der 1500 Euro brutto verdient, profitiert mit neun Euro im Monat.“ Kurz: „Wer 1500 Euro brutto im Monat verdient, der zahlt eben auch relativ wenig Steuern – dadurch profitiert er von einer Einkommenssteuerentlastung wenig. Das ist ja vollkommen klar.“ Auch jemand, der keine Steuern zahle, profitiere von einer Steuerreduktion nicht.

"Sterben versteuern überspannt den Bogen"

Die Senkung der Ertragsteuern für nicht ausbezahlte Gewinne ist indes eine alte Forderung der Industriellenvereinigung (IV) – und findet sich in abgewandelter Form im ÖVP-Programm. Während die IV die Steuer halbieren möchte und dafür Kosten von zwei Milliarden Euro angibt, will Kurz sie ganz abschaffen und veranschlagt dafür nur eine Milliarde Euro, wie der „Standard“ berichtet. Wie seriös die Berechnungen der Volkspartei seien? „Sehr seriös“, betonte Kurz. „Es gibt derzeit nur ein Land in Europa, das diese Maßnahme gesetzt hat, das ist Estland.“ Betrachte man die Lage dort, zeige sich, „dass sich die Maßnahme schon nach drei Jahren gerechnet hat, weil so viel investiert wurde“. Dieses Mehr an Investitionen würde von der IV nicht berücksichtigt.

Gefragt, ob es nicht ungerecht sei, dass jemand, der drei Millionen erbt, keine Steuern zahlen müsse, hingegen jemand, der arbeitet und 3000 Euro brutto monatlich verdient sehr wohl, antwortete Kurz, er sehe diese Frage nicht aus Sicht des Erben, sondern des Erblassers. „Wenn man jetzt sogar fürs Sterben auch noch besteuert wird in Österreich, dann überspannt das meiner Meinung nach irgendwann den Bogen“, meinte der ÖVP-Chef.

Kurz gegen Zollunion-Ausbau mit Türkei

Gegenüber der "Bild"-Zeitung vom Mittwoch sprach sich Kurz in seiner Funktion als Außenminister Kurz (ÖVP) indes gegen einen Ausbau der Zollunion mit Ankara aus. "Wir sind klar gegen eine Modernisierung der Zollunion und werden Deutschland dabei in Brüssel im Vorfeld des informellen Außenministerrates in Tallinn diese Woche unterstützen", sagte Kurz. Die 1995 gegründete Zollunion zwischen EU und der Türkei gilt nur für bestimmte Waren. Die Verhandlungen über eine Ausweitung auf den Dienstleistungssektor, das öffentliche Beschaffungswesen sowie auf die Landwirtschaft sollten eigentlich schon im Dezember beginnen. Die Bundesregierung hat aber angekündigt, kein Mandat dafür zu erteilen, solange sich die Situation in der Türkei nicht ändert.

Kurz forderte von der EU ein selbstbewussteres Auftreten gegenüber der Türkei. Über "massive Fehlentwicklungen" dürfe nicht länger hinweggesehen werden. "Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sind ebenfalls sofort abzubrechen", sagte Kurz. Diese Forderung hatte in einer Kehrtwende auch der deutsche SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz im TV-Duell mit Merkel erhoben. Merkel stand einem EU-Beitritt der Türkei schon immer skeptisch gegenüber und will das Thema beim nächsten EU-Gipfel im Oktober zur Sprache bringen.

>>> Kurz in der "ZiB2"

>>> Bericht im "Standard"

(hell/APA)

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