Wirtschaftsforscher: "Kein Spielraum für große Steuergeschenke"

Marcel Fratzscher
Marcel FratzscherDie Presse
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SPÖ, ÖVP und FPÖ versprechen milliardenschwere Steuersenkungen - unrealistisch, sagt der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher. Denn: "Das Geld ist langfristig nicht da."

Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, sieht in Österreich keinen Spielraum für die im Wahlkampf versprochenen Steuersenkungen. Außerdem zweifelt er an den von den Parteien geplanten Gegenfinanzierung durch erhöhtes Wirtschaftswachstum.

SPÖ, ÖVP und FPÖ versprechen im Wahlkampf milliardenschwere Steuersenkungen. Am weitesten gehen wollen ÖVP und FPÖ mit je 12 Milliarden Euro, bei der SPÖ sind es 5,4 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Im zehnmal größeren Deutschland hat Finanzminister Wolfgang Schäuble für die Zeit nach der ebenfalls im Herbst stattfindenden Bundestagswahl ebenfalls eine Steuersenkung von "nur" 12 Milliarden Euro angekündigt.

Fratzscher, der sich diese Woche bei einer Volkswirtschaftstagung in Wien befand, sieht allerdings weder in Deutschland noch in Österreich Spielraum für Steuersenkungen. Und das trotz des deutschen Budgetüberschusses von zuletzt 23,7 Milliarden Euro. Österreich hatte im Vorjahr ohnehin ein Defizit von 5,4 Milliarden Euro und deutlich höhere Schulden. "Diese Versprechen von Steuersenkungen sind Wahlgeschenke mit Geldern, die langfristig eigentlich nicht da sind", kritisiert Fratzscher.

"Leute werden das auf die hohe Kante legen"

Der DIW-Chef verweist darauf, dass die derzeit günstigen Budgetdaten vor allem den niedrigen Zinsen auf die Staatsschulden zu verdanken sind. "Die Zinsen werden wieder hoch gehen", warnt Fratzscher. Auch auf die Kosten der alternden Gesellschaft müsse man sich vorbereiten, denn die "demografische Wende" werde Deutschland zwar härter, aber auch Österreich treffen: "Eigentlich haben weder Deutschland noch Österreich diesen finanziellen Spielraum für große Steuergeschenke." Große Steuersenkungen werde man in spätestens fünf Jahren wieder zurücknehmen müssen.

Fratzscher zweifelt auch an der Gegenfinanzierung der Steuersenkungen durch erhöhtes Wachstum. Die ÖVP will aus diesem Posten bis zu fünf Milliarden Euro einnehmen, die FPÖ drei und die SPÖ 2,45 Milliarden Euro. Der Wirtschaftsforscher verweist aber darauf, dass von den Steuersenkungen vor allem Besserverdiener profitieren würden, deren Zusatzeinkünfte eher am Sparkonto landen, womit der "Konjunktureffekt" schrumpfe: "Die Leute werden das nicht ausgeben, sondern auf die hohe Kante legen." Wolle man wirklich den Konsum ankurbeln, müsse man die Menschen "am unteren Ende" entlasten (durch niedrigere Sozialbeiträge) oder die Mehrwertsteuer senken, erklärt Fratzscher: "Steuersenkungen, so wie sie jetzt in Österreich diskutiert werden, haben die Gefahr, dass sie Schulden und Defizite erhöhen werden."

(APA)

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