"Bitte, bitte helft uns!": Verwüstung und Anarchie auf karibischen Inseln

Nach dem Sturm. Eindrücke von der frankoholländischen Insel Saint-Martin/Sint Maarten.
Nach dem Sturm. Eindrücke von der frankoholländischen Insel Saint-Martin/Sint Maarten.(c) APA/AFP/MARTIN BUREAU
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Viele Gebiete stehen vor einem Scherbenhaufen. Gewaltausbrüche auf französisch-holländischer Insel.

Miami/Havanna/Sint Maarten/La Paz. Während Florida das nächste Ziel des Hurrikans Irma ist, stehen mehrere karibische Inseln bzw. Inselrepubliken, die in den vergangenen Tagen von Irma heimgesucht worden waren, buchstäblich vor einem Scherbenhaufen. Luftbilder zeigen riesige Überschwemmungen, geknickte Wälder, verwüstete Wohngegenden und schwer beschädigte Hotels – etwa auf der besonders stark getroffenen Insel Barbuda (1600 Einwohner), die zum Ministaat und Commonwealth-Mitglied Antigua und Barbuda im Norden der Inselkette der Kleinen Antillen gehört.

Schwer sind die Verwüstungen auch auf dem britischen Überseegebiet Anguilla (14.000 Bewohner), auf den Britischen Jungferninseln (etwa 30.000) und einigen der US-amerikanischen Jungferninseln, auf der französischen Insel Guadeloupe (400.000 Einwohner) und auf der zwischen den Niederlanden und Frankreich geteilten Insel Sint Maarten/Saint-Martin: Dort seien 70 bis 95 Prozent der Gebäude und Infrastruktur zerstört worden, melden die Behörden.

 

Überfälle auf Touristen

Doch damit nicht genug: Am Wochenende häuften sich Berichte über anarchische Zustände auf der frankoholländischen Insel, in deren holländischer Südhälfte etwa 42.000 Menschen wohnen, in der frankofonen Nordhälfte 35.000. Frankreich und Holland hatten sich die schöne, 87 Quadratkilometer große Insel mit ihren maximal 424 Metern Höhe anno 1648 geteilt. Den Berichten zufolge, zu denen Hilferufe in sozialen Medien zählen, gab und gibt es Banküberfälle, Plünderungen, Überfälle auf Touristen. Hotelzimmer würden ausgeräumt und die Touristen dort mit Waffen bedroht, darunter Macheten und Schusswaffen. Auf der Straße prügelten sich Einheimische um gestohlene Fernseher, Ventilatoren und andere Gegenstände.

„Bitte, bitte, bitte helft uns!“, schreibt Massimiliano Napoliello, Manager einer Bar in Maho Beach auf der holländischen Seite, auf Twitter. „Die Lage in Sint Maarten ist höllisch“. Es gebe weder Wasser noch Nahrung oder Strom.

Frankreich kündigte am Samstag eine Verdoppelung der Militär- und Polizeikräfte durch Verlegungen von außerhalb an, darunter sollen mindestens 240 Polizisten sein. Die niederländische Marine hatte in den vergangenen Tagen mehr als 120 Marines aus anderen karibischen Besitzungen auf die Insel verlegt, nun werden weitere Soldaten auch aus Europa eingeflogen. Großbritannien verlegt Sicherheitskräfte auf seine karibischen Besitzungen sowie in dortige Commonwealth-Länder. US-Militärflugzeuge fliegen US-Bürger aus.

Mit mindestens 24 Todesopfern durch Irma in der Karibik ist die Bilanz zumindest relativ mäßig. Vor allem blieb das besonders anfällige Armenhaus Haiti halbwegs verschont. Kuba wiederum, dessen Bewohnern und Infrastruktur überdurchschnittliche Widerstandsfähigkeit gegenüber Tropenstürmen nachgesagt wird, hat Irma mit Winden von mehr als 250 km/h diesmal doch etwas härter als sonst getroffen. Im Landesinneren etwa ist die Rede von „bedeutenden Schäden“, Näheres war vorerst nicht bekannt.

 

„Der Kapitalismus ist schuld“

Urlaubsziele wie Cayeria Norte auf Kuba sind verwaist: Die Gäste wurden ins Landesinnere gebracht oder ausgeflogen. Am Malecón in Havanna sind Gebäude verbarrikadiert, es soll Wellen von neun Metern Höhe gegeben haben.

Die Schäden in der Karibik könnten sich auf zehn Milliarden US-Dollar belaufen. Der Tourismus, der wichtige Devisenbringer der Region, droht monatelang auszufallen.

Eine besondere These vertritt indes Boliviens Präsident Evo Morales. Der Linkspopulist gibt dem Kapitalismus und den Treibhausgasausstößen der USA die Schuld. „Die Zerstörungen durch die Hurrikans werden verursacht durch die Luftverschmutzungen des Kapitalismus.“ (wg/dpa)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2017)


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