Die am Mittwoch startende Metallerrunde verspricht mitten im Wahlkampf Brisanz. Die Branche floriert, was die Begehrlichkeiten der Gewerkschaft steigen lässt.
Wien. Kein nächtelanges Taktieren, keine Marathonsitzungen, keine Gegengeschäfte, kein alleiniges Ausrichten des Lohnabschlusses an der Benya-Formel (Inflationsrate plus die Hälfte des Produktivitätszuwachses) – schlichtweg „keine Rituale“: Wenn es nach dem Wunsch von Fachverbandsobmann Christian Knill geht, soll die am 20. September startende Herbstlohnrunde der Metaller eingefahrene Bahnen verlassen.
Im Vorjahr war für den Abschluss, der gestaffelt nach Einkommen zwischen 1,2 und zwei Prozent lag, ein 16-stündiger Schlussmarathon und 14 Verhandlungsrunden notwendig. „Mehr als zehn Stunden dürfen wir ohnedies nicht verhandeln“, ätzte Knill am Mittwoch im Hinblick auf die gesetzliche Tages-Höchstarbeitszeit. Womit der Chef der mit 129.000 Beschäftigten größten Metallergruppe, der Metalltechnischen Industrie, gleich zu seinem wichtigsten Anliegen kam: die Arbeitszeitflexibilisierung, die im letzten Moment von der Agenda der Sozialpartner für den Arbeitspakt flog.
Mehrere Jahre Planbarkeit
„Je wettbewerbsfähiger ein Standort, desto flexibler ist die Arbeitszeit“, verwies Knill auf Länder wie Finnland, Schweden und Spanien, wo die tägliche Höchstarbeitszeit nicht begrenzt ist. In Finnland, der Schweiz und Frankreich werde die Arbeitszeit gerade verlängert. Österreich sei eines der EU-Länder mit der niedrigsten Höchstarbeitzeit. Knill will aber nicht nur mehr Flexibilität, er will die Regelungen dazu nicht mehr im Kollektivvertrag (KV), sondern auf Betriebsebene festgezurrt haben. Damit könne man den Anforderungen viel besser nachkommen. Außerdem wünscht sich Knill eine bessere Planbarkeit, sprich KV-Abschlüsse für mehrere Jahre.
Die Gespräche, die von Arbeitgeberseite wieder von Veit Schmid-Schmidsfelden geführt werden, versprechen heuer doppelte Brisanz. Zum einen finden sie mitten in der heißen Wahlkampf-Zeit statt. Da neigen beide Seiten schon zu harschen Tönen, auch wenn Knill an die Politik appellierte, die KV-Runde nicht als Showbühne für die Nationalratswahl zu missbrauchen.
Zum anderen geht es der Branche, die mit 186.000 Beschäftigten (inklusive Bergbau-Stahl, Fahrzeugindustrie, Gießerei, Nichteisen-Metalle sowie Gas- und Wärmeversorger) die größte Industriesparte ist, wieder sehr gut. Im ersten Halbjahr legte die Produktion um 4,8 Prozent auf 18,3 Mrd. Euro zu, die Auftragseingänge stiegen sogar um 14,2 Prozent auf 17,6 Mrd. Euro. Um 11,7 Prozent wuchs das Exportvolumen auf 8,5 Mrd. Euro. Nach Jahren der Stagnation bzw. des Rückgangs (siehe Grafik) wuchs auch die Zahl der Beschäftigten. Die sind Reallohn-Gewinner: Seit 2005 legten die KV-Entgelte um 34,1 Prozent zu, während die Inflation um 22,5 Prozent stieg. Der monatliche Mindestlohn liegt in der Branche bei über 1700 Euro.
Mehr als in den Vorjahren
„Das Konjunkturbarometer zeigt nach oben, die Wirtschaftsdaten unserer Branche sind ausgezeichnet, wir haben die Krise hinter uns gelassen – da muss es schon rascheln im Geldbörsel“, sagt der Vorsitzender der Gewerkschaft Pro-GE, Rainer Wimmer, im Gespräch mit der „Presse“. Auch die Prognosen der Wirtschaftsforscher für 2017 und 2018 sprächen für eine gute Wirtschaftsentwicklung. Diesen Effekt will Wimmer, der mit dem Vize-Bundesgeschäftsführer der GPA-djp, Karl Dürtscher, verhandelt, für die Beschäftigten nützen. „Ein Abschluss weit über den vergangenen Jahren muss drin sein“, betont Wimmer.
Zur Erinnerung: Nach dem Ausreißer nach oben mit 4,2 Prozent im Jahr 2011 gingen die Abschlüsse bis 2015 auf 1,5 Prozent zurück,um im Vorjahr bei durchschnittlich 1,68 Prozent zu landen.
Einer weitreichenden Arbeitszeitflexibilisierung erteilt Wimmer jedenfalls ebenso eine Absage wie Knills Forderung nach Vereinbarungen auf Betriebsebene: „Der Kollektivvertrag ist unser Schutzschild.“ Mit dem 2016 eingeführten Zeitkontenmodell (flexiblere Aufteilung der Arbeitszeit) finde man das Auslangen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2017)