Proteste: Polizei räumt besetztes Uni-Büro

(c) APA (Flora Eder)
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Studenten wurden von der Exekutive aus der Uni Wien getragen, die erste polizeiliche Räumung an der Uni Wien seit dem Start der Proteste. Am Abend versuchten 200 Studenten, das Parlament zu stürmen.

Wien. Es ist kurz nach 15 Uhr, als Einsatzwagen der Polizei vor der Uni Wien vorfahren. 50 Mann – darunter mehrere Beamte des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung – sperren den Zugang zu einem der Höfe im linken Gebäudetrakt. Nur wenig später werden die ersten Studenten, die Hände schützend um den Kopf gelegt, von der Exekutive aus einem Büroraum getragen. Die erste polizeiliche Räumung an der Uni Wien seit dem Start der Proteste vor 57 Tagen hat begonnen.

Die Besetzer haben sich ihre Münder mit Isolierband verklebt, an ihren Körpern tragen sie Zettel mit dem Schriftzug „Besetzt“. Einige verlassen das Büro freiwillig. Wer passiven Widerstand leistet, wird von Beamten hochgehoben und vor der Uni abgesetzt. Vor dem Gebäude hat sich eine Menschentraube gebildet – unter den Studenten kursieren erste Gerüchte von Übergriffen durch die Polizei. Ein Besetzer sei an den Haaren gezogen worden, ein anderer von fünf Polizisten „in einen Nebenraum“ gebracht worden.

Warum es zu dem Polizeieinsatz gekommen ist, dazu gibt es zwei ganz unterschiedliche Versionen. Jene der Uni: Die Aktion stehe in „keinem direkten Zusammenhang zur Audimax-Besetzung“, so eine Sprecherin zur „Presse“. Dem Sicherheitspersonal sei aufgefallen, dass die Tür zu dem Büro wahrscheinlich in der Nacht aufgebrochen wurde. Das sei „einfach nicht erlaubt, ganz egal unter welchen Rahmenbedingungen.“ Nachdem Verhandlungsversuche mit der ÖH und den Studenten, die sich samt Kochutensilien im Raum verbarrikadiert hatten, scheiterten, habe man „in letzter Konsequenz“ die Polizei rufen müssen. Nachsatz: „Die Uni hat sich nicht vorgestellt, dass sich das alles so entwickelt.“

Die Besetzer, denen eine Verwaltungsstrafe droht, haben eine andere Sicht auf die Vorgänge: Das Büro sei offen gewesen, sagt der 23-jährige René. Zudem habe es sich bei dem Zimmer um einen jener Ausweichräume gehandelt, die Rektor Georg Winckler den Besetzern im Gegenzug für die Aufgabe des Audimax versprochen habe.

Angebot des Rektors „eine Farce“

Das Plenum im Audimax dürfte die nächtliche Aktion der Gruppe nicht abgesegnet haben. Man wisse einen großen Teil der Kollegen jedoch hinter sich, so einer der Jugendlichen. „Der Raum muss uns für freie Bildung zur Verfügung stehen. Vor allem, weil er von der Uni ohnehin nicht genützt wird“, sagt eine andere. „Wir haben damit bewiesen, dass die Verhandlungsangebote des Rektors nicht mehr als eine Farce sind.“

Und tatsächlich – die laufenden Gespräche über einen teilweisen Abzug aus dem Audimax dürften durch den Vorfall erneut ins Stocken geraten. Erst am Dienstag haben die Studenten eine Teilzeitbesetzung angeboten – den Hörsaal also zumindest für Lehrveranstaltungen freizugeben. Einige der Forderungen, die im Gegenzug erhoben wurden: Duschen für Obdachlose an der Uni, einen Bildungsfernsehsender und eine Zeitung, die „in gleich hoher Auflage wie die Boulevardblätter“ jeden Sonntag gratis aushängen soll. Zudem eine 50-Prozent-Frauenquote bei den Vortragenden im Audimax und die Zusage des Rektors, im März erneut Streiks zuzulassen.

Am Mittwoch spricht Flora Eder (Gras), ÖH-Chefin der Uni Wien, aber von einer neuerlichen „Verhärtung der Fronten“. Das zeigt sich nicht zuletzt am Abend, als rund 200 wütende Studenten versuchen, das Parlament zu stürmen, daran aber von der Polizei gehindert werden. Ein Demonstrant soll festgenommen worden sein. Später ziehen sich die Studenten ins fast volle Audimax zurück, in dem der Künstler André Heller mit dem Plenum diskutiert – und für den weiteren Protest 1000 Euro spendet. Die sich abzeichnende Lösung des Uni-Konflikts ist am Mittwoch wieder in weite Ferne gerückt.

AUF EINEN BLICK

Annäherung an andere Unis.
Während sich die Fronten zwischen Rektor und Besetzern an der Uni Wien nach dem Polizeieinsatz am Mittwoch verhärteten, kam es an den anderen Hochschulen zur Annäherung. An der Uni Innsbruck sei eine Einigung mit dem Rektor „in greifbarer Nähe“, heißt es in einer Aussendung der Besetzer. Auch an der Uni Graz diskutierten die Studenten – nachdem der Rektor Druck gemacht hatte – am Mittwoch über einen Abzug aus allen drei besetzten Sälen. An der Uni Salzburg hat man sich bereits vor Tagen auf einen „Weihnachtsfrieden“ geeinigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2009)

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