Türkei: Verbotene Kurdenpartei formiert sich neu

(c) EPA (Tolga Bozoglu)
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Nach dem Verbot der Kurdenpartei DTP haben sich bei der Gründung der „Partei für Frieden und Demokratie“ die Falken über die gemäßigten Abgeordneten durchgesetzt.

ISTANBUL. Nachdem das türkische Verfassungsgericht die kurdische Partei für eine Demokratische Gesellschaft (DTP) verboten hat, haben sich die Falken in der Partei gegen den gemäßigten, aber nun mit Politikverbot belegten Vorsitzenden Ahmet Türk durchgesetzt. Auf ihrer letzten Sitzung beschloss die DTP den Rücktritt aller ihrer noch im Parlament verbliebenen Abgeordneten. Politisch will man jedoch weitermachen, und zwar mit Hilfe einer neuen Bewegung namens „Partei für Frieden und Demokratie“ (BDP). Sie soll die verbotene DTP künftig ersetzen.

Das Verfassungsgericht hat in seiner Entscheidung neben dem Verbot der DTP auch die Abgeordnetenmandate der beiden Parteiführer Türk und Aysel Tugluk aufgehoben. Die verbliebenen 19 Abgeordneten der DTP hätten im Parlament zunächst als unabhängige Abgeordnete bleiben können.

Ein Rücktritt eines Abgeordneten von seinem Mandat ist nur möglich, wenn das Parlament zustimmt. Geschieht dies, so steigt die Zahl der unbesetzten Sitze im Parlament nahe an die Grenze von fünf Prozent. Wird diese Grenze erreicht, sieht die Verfassung Neuwahlen innerhalb von drei Monaten vor.

„Mein Gewissen ist rein“

Die DTP will das Parteiverbot vor dem Europäischen Gerichtshof in Straßburg anfechten. Außerdem hat Ahmet Türk bereits auf einen schweren Fehler der türkischen Richter hingewiesen. Die Richter hatten ihr Urteil unter anderem mit Aussagen der kurdischen Politikerin Leyla Zana begründet. Gegen Zana wurde in dem Urteil ein fünfjähriges Politikverbot verhängt. Zana, die elf Jahre im Gefängnis verbracht hat, lebt derzeit zurückgezogen in einem Dorf in der Nähe von Diyarbakir und ist kein Mitglied der DTP. Sie hatte auch früher nie einen DTP-Parteiposten inne.

Auf den Fehler angesprochen, meinte der Vorsitzende des Verfassungsgerichtes, Hasim Kilic, das Gericht habe sich auf die Angaben des Staatsanwaltes verlassen und fügte hinzu: „Mein Gewissen ist rein.“

Steckt Erdo?an hinter Verbot?

Der türkische Premier Tayyip Erdogan hat den Beschluss der DTP, die Abgeordneten zurückzuziehen, als voreilig kritisiert. Der Entschluss sei wie ein Kleid, das man für ein ungeborenes Kind zugeschnitten hat. Der Sprecher des Erweiterungskommissars der EU-Kommission drückte sein Bedauern darüber aus, dass sich die DTP beharrlich geweigert habe, auf Distanz zur kurdischen Untergrundorganisation PKK und deren Terrororakten zu gehen. Andererseits bedauerte er, dass die Entscheidung des Verfassungsgerichtes einem Teil der Wählerschaft die demokratische Vertretung genommen habe.

Während ein Teil der Auslandspresse der Meinung ist, dass Erdogan und sein Projekt einer demokratischen Öffnung für die Kurden zu den Hauptopfern des Verbotes gehören, wird der Premier in der Türkei von Kritikern als der eigentliche Urheber des Verbots angesehen. So schreibt Mehmet Tezkan in der Zeitung „Milliyet“, dass das Verbot nur möglich gewesen sei, weil Erdo?an mit seiner demokratischen Öffnung nicht ernst gemacht und dadurch das Klima für das Verbot geschaffen habe. Erdogans AK-Partei profitiere letztlich von dem Verbot der DTP.

Der Nachrichtensender CNN Türk zitierte dagegen einen nicht namentlich genannten Vertreter der Regierung, der die Ansicht vertritt, die PKK habe durch ihre Aktionen das Verbot der DTP herbeigeführt. Die Wahrheit dürfte wohl in der Mitte liegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2009)

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