Mehrere Interessenten haben Angebote abgegeben. Die Lufthansa gilt als Favorit, die Aktie erreichte kürzlich ein Zehnjahreshoch.
Berlin/Wien. Nicht, dass jemand glaubt, mit Air-Berlin-Aktien reich zu werden. Dazu hat das Papier schon zu lang Junkstatus. Aber der jüngste Kursanstieg zeigt, dass nun, rund um den Endspurt im Bieterrennen um die insolvente Fluglinie und deren Österreich-Tochter Niki, die Stunde der Zocker schlägt. Nachdem Air-Berlin-Aktien am Donnerstag um 36 Prozent hochgeschossen sind, legten sie am Freitag um 16 Prozent zu.
Interessanter ist da schon der Kursverlauf der Interessenten: Die Lufthansa gilt als Favorit – seit die AUA-Mutter zum Jahreswechsel 38 Maschinen samt Crews der damals noch nicht insolventen Air Berlin übernommen hatte (fünf davon erhielt die AUA) wurde ein weitergehendes Interesse kolportiert. Auch die deutsche Politik hat sich – nicht gerade zur Freude der Konkurrenz – für die Kranich-Airline ausgesprochen. Gute Karten werden der Lufthansa auch bei der insolventen Alitalia nachgesagt – in Rom endete am Freitag die Frist für Interessenerklärungen.
Diese Position und vor allem der gute Geschäftsverlauf verhalfen der Lufthansa-Aktie seit Jahresbeginn zu einem Steigflug, der vor wenigen Tagen in einem Zehnjahreshoch von 22,975 Euro gipfelte.
Bei der britischen Billig-Airline Easyjet, die sich bis zuletzt bedeckt hielt, brach die Kursrallye, die das Papier auf 1431 Pence hievte, im Juli jäh ab. Da gab Easyjet bekannt, im Hinblick auf den Brexit in Wien eine Europazentrale einzurichten.
Genau konträr verlief der Kurs beim britischen Reiseriesen Thomas Cook, der mit seiner Ferienfluglinie als Partner von Niki Lauda ins Rennen geht. Nachdem das Papier seit Jahresbeginn zwischen 85 und 95 Pence gependelt hatte, legte es ab Juli bis auf 126,9 Pence zu. Dann ging es wieder bergab, jetzt notiert die Aktie bei 118,6 Pence.
„Wir haben mehrere Angebote bekommen“, bestätigte Air-Berlin-Sprecher Ralf Kunkel am Freitag gegenüber Reuters TV. Auch die Lufthansa bestätigte ihr Angebot, ohne Details zu nennen. Zuvor war durchgesickert, dass sie für 70 bis 90 der 144 Air-Berlin-Maschinen einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag biete.
100 Mio. Euro als Latte
Von rund 100 Mio. Euro sprach zuletzt auch Niki Lauda, der es in erster Linie auf seine einstige Gründung Niki abgesehen hat. Lauda hat zusammen mit dem Reisekonzern Thomas Cook und dessen Tochter Condor für Teile der insolventen Air Berlin geboten. In den vergangenen Tagen hat er kein Geheimnis daraus gemacht, dass es ihm um den Rückkauf der von ihm gegründeten und an Air Berlin verkauften Airline Niki geht. Im Fall eines Zuschlags würde er eine aktive Rolle in der Airline spielen, sagte Lauda am Freitagabend in der "ZiB 1". "Am Anfang musst du logischerweise mit dabei sein", sagte Lauda auf Fragen, ob er selber dann operativ tätig wäre. Lauda bekräftigte in der "ZiB 1", dass es ihm vor allen Dingen um die 22 Niki-Flugzeuge gehe; sein Partner Condor interessiere sich für Lang- und Kurzstreckenflüge.
100 Mio. Euro soll auch der deutsche Manager Utz Claassen bieten. Namen seiner Partner nennt der Ex-EnBW-Chef nicht, ebenso wie der Textilunternehmer Hans Rudolf Wöhrl. Der stellt sogar eine halbe Mrd. Euro in Aussicht – allerdings vorerst nur 50 Mio. Euro. Die Berliner Logistikfirma Zeitfracht hat an der Leisure Cargo GmbH, der Regionalflugtochter Walter und der Air-Berlin-Technik Interesse. Die Betreibergesellschaft des Flughafens Parchim in Mecklenburg-Vorpommern beantragte eine Woche Fristverlängerung.
Am 21. September trifft sich der Gläubigersausschuss, die finale Entscheidung soll am 25. September fallen – einen Tag nach der Bundestagswahl. Der Zeitdruck ist groß, weil Air Berlin täglich mehrere Millionen verbrennt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2017)