Leitartikel

Drei eloquente Herren, keine Freunde, keine Boxer

NR-WAHL: DREIERKONFRONTATION DER SPITZENKANDIDATEN VON SP�, �VP UND FP�: KURZ / KERN / STRACHE
NR-WAHL: DREIERKONFRONTATION DER SPITZENKANDIDATEN VON SP�, �VP UND FP�: KURZ / KERN / STRACHE(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Im ersten Duell der Spitzenkandidaten der drei großen Parteien zeigte sich: Wenig Kontroverse, aber wir müssen uns für diese Politiker nicht schämen.

Vergessen wir einmal die unüblich ausgeprägte Hysterie, das Dirty Campaigning und die Lustigen in manchen Wahlkampfteams, und sehen wir es einfach positiv. Für SPÖ und ÖVP treten zwei Kandidaten an, die sich zwar nicht besonders mögen, die aber eines eint: Sie sind die besseren Spitzenkandidaten als ihre Vorgänger. In beiden Parteien muss man lang zurückgehen, um vergleichbare Personen an der Spitze zu finden, die derart eloquent, klar in den Aussagen sind und in ihrer Argumentation so überzeugend wirken wie Christian Kern und Sebastian Kurz. Das heißt noch lang nicht, dass man dieser auch zustimmen muss.

In der ÖVP gab es zwar das intellektuell-professionelle Ausnahmetalent Wolfgang Schüssel – Empathie spürte man bei ihm aber wenig, die Herzen blieben immer kalt. Und sonst? Mitterlehner, Spindelegger, Molterer, Busek, Mock, Taus: Sie alle waren vielleicht klug und erfahren, Menschenmengen und Millionen vor den TV-Schirmen begeisterten sie nicht oder kamen nicht einmal in die Verlegenheit, daran zu scheitern.

In der SPÖ waren da Faymann, Gusenbauer, Klima und Sinowatz, die allesamt sehr (ost)österreichisch wirkten und sprachen. Nur Franz Vranitzky wurde im Rückspiegel zum Grandseigneur und roten Gentleman glorifiziert. Volksnah war er auch nicht gerade, Jörg Haider wilderte frech-fröhlich unter den SPÖ-Wählern. Sonst war da nur der Säulenheilige Bruno Kreisky, den Kern ein bisschen zu häufig zitiert. Der Mann eignet sich zwar als großes Vorbild, aus Kern wird aber auch nie ein Kreisky, Ersterer orientiert sich viel zu sehr an Moden und Beratern, Zweiterer war gleichzeitig der härteste Sturschädel und gewiefter Taktiker der jüngeren Zeitgeschichte.

Dank der beiden Herren wird zwischen den Dauerkoalierern endlich wieder gestritten und das lähmende System der Aufteilung des Landes in zwei Parteien und Lager, die sich auch beide hemmungslos am Steuertopf bedienen, infrage gestellt. Das ist gut.

Anders formuliert: Denken wir kurz an den vergangenen und andere TV-Auftritte von Martin Schulz, und schon wird klar: Für Kern und Kurz müsste man sich wirklich nicht schämen. Erstmals treten da zwei Politiker an, die sich auch nicht vor Heinz-Christian Strache, der in die Fußstapfen von Jörg Haider gestiegen ist, fürchten müssen.

In dem ersten Aufeinandertreffen der drei auf Einladung der Bundesländerzeitungen und der „Presse“ in Linz zeigte sich das deutlich: Strache kann die beiden Gegner nicht mehr so leicht vor sich hertreiben wie deren diverse Vorgänger, die Strache allesamt überlebt hat. Die jüngste Wandlung des FPÖ-Chefs ist begrüßenswert: Der Mann hetzt (bisher) nicht mehr. Das jüngste Werbevideo seiner Partei ist etwa fast subtil. Heinz-Christian Strache taucht da als Helfer in verschiedenen fiktiven Alltagssituationen auf, er hilft einer Frau beim Schlussmachen mit dem Freund, einem Angestellten bei der Gehaltserhöhung beim unfreundlichen Chef und am Schluss politisch einem Paar bei der Notarin, die die Erbschaftssteuer einheben will. Man muss offenbar nicht immer teure Berater aus dem Ausland buchen.

Bei der weniger konfrontativ als informativ angelegten Linzer Runde erzählten alle drei auch ihre Geschichten: Kern trägt bei seiner über den Aufstieg des jungen Simmeringers immer deutlich dicker auf als Kurz bei der Episode über die kurzfristige Arbeitslosigkeit seines Vaters und Strache über seine Schachmeister- und Fußballervergangenheit (dann doch zu wenig Talent).

Da saßen auf jeden Fall drei Männer, die der lebende Beweis sind, dass man weder reich noch mächtig sein muss, um (politisch) Karriere zu machen. Interessanterweise setzte Kern vor breitem Publikum einmal mehr auf die Schilderung der negativen Wirkungen von Globalisierung und Digitalisierung und darauf, dass es gelte, diese staatlich auszugleichen. Kurz ging mehr auf die positiven Chancen ein – so wie Kern früher immer. Die Hoffnung vieler Sozialdemokraten, Kurz würde sich in den Konfrontationen völlig entzaubern, erfüllte sich bei diesem ersten Zusammentreffen mit Kern nicht, aber es folgen ja noch ein paar. Lang werden sie nicht so höflich bleiben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2017)

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