Nationalrat: Auftakt für die Wahlgeschenke

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Das freie Spiel der Kräfte im Parlament kann beginnen: Die SPÖ will noch schnell ein neues Mietrecht durchdrücken, die Opposition lockt die ÖVP mit einer Abschaffung der kalten Progression.

Die Nationalratssitzung am 24. September 2008 war zweifellos eine der teuersten in der Geschichte der Republik: Vier Tage vor der Wahl wurden im Parlament im freien Spiel der Kräfte die Studiengebühren abgeschafft, die Familienbeihilfe wurde auf eine 13. Zahlung ausgeweitet, das Pflegegeld erhöht, die Hacklerregelung verlängert und die Mehrwertsteuer auf Medikamente halbiert.

Diesmal findet die letzte Sitzung des Nationalrats nur drei Tage vor der Wahl statt – und die Verlockung der Parteien ist naturgemäß groß, den Menschen das Kreuzerlmachen zu versüßen. Wohin das führen könnte, zeichnete sich bereits gestern ab: Die SPÖ will ein neues Mietrecht, das unter anderem Mietzinsobergrenzen vorsieht – ein Punkt, dem Koalitionspartner ÖVP nie zugestimmt hat. Auf der anderen Seite lockt die Opposition die ÖVP mit einer Abschaffung der kalten Progression: FPÖ und Neos beraten über einen gemeinsamen Antrag, mit dem alle Steuerstufen automatisch an die Inflation angepasst werden sollen – ein Anliegen der Volkspartei, das sie aber in der Regierung mit der SPÖ nicht umsetzen konnte.

Geradezu verzweifelt kam dazu gestern ein Aufruf von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP), keine teuren Geschenke vor der Wahl zu machen. Jeder Beschluss im Nationalrat müsse eine Finanzierung vorweisen können, forderte er im Ö1-Radio.

Beim Mietrecht kritisierte Kern gestern in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz, dass „Mieten in den vergangenen zehn Jahren doppelt so schnell gestiegen sind wie die Einkommen“. Mit 16 Euro sei der durchschnittliche Quadratmeterpreis in Innsbruck am höchsten. Für eine Familie mit Kindern würden sich Kosten von 2000 Euro pro Monat ergeben, mehr als 40 Prozent des verfügbaren Einkommens müssten für das Wohnen aufgewendet werden.

FPÖ und Grüne für Gespräche bereit

SPÖ und ÖVP hatten immer wieder über ein neues Mietrecht verhandelt und waren genauso regelmäßig daran gescheitert, zuletzt im Herbst vergangenen Jahres. Einer der Gründe waren die SPÖ-Vorstellungen für Mietzinsobergrenzen, die die ÖVP ablehnte.

Nun versucht die SPÖ, eine Mehrheit im Nationalrat gegen die ÖVP zu finden, und lockt die anderen Parteien – und das Volk – mit folgender Rechnung: Das Mietrechtspaket würde den Preis für eine 80-Quadratmeter-Wohnung in Wien von 1192 Euro auf 736 Euro pro Monat senken.

Die SPÖ hofft auf Unterstützung der FPÖ und der Grünen, die ähnliche Programme haben. Tatsächlich signalisieren beide Parteien Verhandlungsbereitschaft, auch wenn die FPÖ ihre Zusage in eine Kritik verpackt: „Was die SPÖ hier macht, ist nicht sehr seriös“, meinte FPÖ-Bautensprecher Philipp Schrangl zur „Presse“. Für einen Schnellschuss sei das Mietrecht zu wichtig und zu umfangreich, er sei für ein Expertenhearing und für Verhandlungen im Bautenausschuss. Wenn man keine Zeit verliere, könnte sich ein Beschluss noch vor der Wahl ausgehen. Sonst soll es die erste Thematik für das neugewählte Parlament sein.

Auch die Grünen zeigten sich offen: Man habe die Chance, die Blockade in der Regierung zu durchbrechen, nun müsse man rasch Gespräche führen, ließ Klubobmann Albert Steinhauser wissen.

Kalte Progression

Ihre Revanche für eine Überstimmung beim Mietrecht könnte die ÖVP mit der automatischen Anpassung aller Steuerstufen an die Inflation haben, also der Abschaffung der kalten Progression für alle Einkommen (die SPÖ wollte nur die Niedrigeinkommen automatisch entlasten).

FPÖ und Neos verhandeln aktuell über einen Antrag, von dem die ÖVP offenbar überrascht wurde. Im Parlamentsklub wollte man nicht direkt auf den Vorschlag eingehen, man werde sich das Thema anschauen. Aber: „Wir werden die SPÖ sicher nicht überstimmen“, meinte eine Sprecherin. Ob das auch nach einem möglichen Beschluss des Mietrechts gilt, blieb offen.

Auf einen Blick

Die SPÖ möchte die Mieten senken und hofft auf Unterstützung für ihr Gesetzesvorhaben durch die Opposition. FPÖ und Neos wiederum locken die ÖVP mit einer Abschaffung der kalten Progression für alle Steuerstufen, was die SPÖ in der Regierung abgelehnt hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2017)

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