Kopenhagen: Klimagipfel kurz vor dem Absturz

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Am Donnerstagvormittag stand die Klimakonferenz kurz davor, abgebrochen zu werden. Dann wurde doch weiterverhandelt. Der Ausgang ist aber völlig ungewiss.

KOPENHAGEN. Es waren dramatische Stunden, die sich Donnerstagvormittag beim UN-Klimagipfel in Kopenhagen abspielten: Der Abbruch der Konferenz stand bereits im Raum. Schon in der Nacht waren alle Gespräche – die seit Mittwoch nur noch „Konsultationen“ und nicht mehr „Verhandlungen“ genannt wurden – ergebnislos beendet worden. Die EU, die USA, Japan und Australien wollten daraufhin die großen Schwellenländer China, Indien und Brasilien zurück an den Verhandlungstisch bringen – doch der Termin wurde immer wieder ohne Angabe von Gründen verschoben, er ist nicht zustande gekommen.

Am Morgen zeigten sich dann die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der chinesische Chefverhandler Su Wei skeptisch, ob überhaupt noch eine Einigung zustande kommen kann. Um elf Uhr platzte schließlich die Bombe: Der dänische Vorsitz wolle keinen weiteren Vertragsentwurf mehr vorlegen, wurde verlautbart. Daraufhin sagten im Minutentakt alle Länder ihre für den Tag vorgesehenen Pressekonferenzen ab. Katzenjammer überall.

Dann kam Hillary Clinton: Die US-Außenministerin verkündete nicht – wie von manchen bereits erwartet –, dass US-Präsident Obama seine Reise nach Kopenhagen absagen werde. Vielmehr betonte sie, mit aller Kraft an einer Einigung zu arbeiten. Und sie verkündete auch, dass sich die USA an dem internationalen Finanztopf – ab 2020 jährlich 100 Milliarden Euro für Entwicklungsländer im Kampf gegen die Folgen des Klimawandels – beteiligen würden.

Eine eilig einberufene Sitzung der 192 Vertragsstaaten der UN-Klimakonvention rettete dann formell die Konferenz: Der Vorschlag der EU wurde angenommen, die Gespräche in fünf Verhandlungsgruppen – bei einer hat Österreich den Vorsitz – auf Basis früherer Entwürfe wieder aufzunehmen. Um 13 Uhr geschah das auch.

Diese Entscheidung ermöglicht, dass der Gipfel vielleicht doch noch erfolgreich enden könnte – wobei natürlich fraglich ist, wie stark das Ergebnis ist. Einfach wird dies in keinem Fall. Die Gräben zwischen den Staaten sind unverändert tief: Die EU fordert, dass die USA und China höhere CO2-Einsparungen vorsehen sollten. Die USA beklagen sich, dass China keine internationale Kontrolle der Zielerreichung zulassen will. Viele Schwellenländer lehnen weiterhin bindende CO2-Reduktionsziele ab, viele Entwicklungsländer sind erbost darüber, dass auch ihnen CO2-Einsparungen abverlangt werden sollen.

Entwicklungsländer gespalten

Die Entwicklungsländer sind indes gespalten: Einige afrikanische Staaten sind von ihrer Forderung nach einer Finanzhilfe von mehr als 300 Mrd. Euro jährlich abgerückt, sie geben sich nun mit 100 Mrd. Euro zufrieden – diese Zahl war zuerst von der EU genannt worden.

Ein Ergebnis scheint bereits sicher: Der vor zwei Jahren bei der Klimakonferenz in Bali beschlossene Plan, die derzeit zwei verschiedenen Stränge an Klimaabkommen zu vereinheitlichen, ist gescheitert. Verhandelt wird einerseits über eine Verlängerung des Kyoto-Abkommens – das ja nur für 39 Industriestaaten Reduktionsziele vorsieht und den Handel mit CO2-Zertifikaten regelt. Andererseits wird über eine Erweiterung der UN-Klimakonvention verhandelt, in der langfristige Ziele wie die Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad, Reduktionsziele für Entwicklungsländer, Finanzhilfen und das internationale Monitoring geregelt werden sollen.

DIE KNACKPUNKTE

102 Streitpunkte sind laut Verhandler bei den Gesprächen über ein neues Weltklimaabkommen noch offen. Die wichtigsten Punkte:

Zwei Grad: Stärker soll die globale Temperatur im Mittel
nicht ansteigen.

CO2-Reduktion. Industrie- und Schwellenländer sollen sich zu verbindlichen Einsparungszielen verpflichten.

Finanzierung. Die reichen Staaten sollen den Entwicklungsländern beim Klimaschutz helfen. Gleichzeitig soll eine globale Kontrollinstanz aufgebaut werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2009)

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