Haselsteiner: "Kern hat mehr Substanz, das Risiko ist mit Kurz größer"

Die Presse
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Die Osterweiterung der Nato sei ein Fehler gewesen, kritisiert Hans-Peter Haselsteiner. Europa hätte nicht im eigenen Interesse, sondern in jenem der USA gehandelt. In Österreich sei ihm Kern lieber als Kurz, aber er könne mit beiden leben.

Der Industrielle und Neos-Finanzier Hans-Peter Haselsteiner hält es im Interview mit der „Presse“ für einen schweren Fehler, dass die EU die rasche Osterweiterung der Nato zugelassen habe. Stattdessen hätte man versuchen sollen, Russland in die EU zu holen. Wladimir Putin wäre dafür zu gewinnen gewesen. „Das hätte Europa groß gemacht.“ All das sei jedoch von den Amerikanern und der Nato hintertrieben worden und die Europäer hätten in ihrer Naivität mitgemacht. Denn für die USA gebe es zwei „Supergaus“: Ein geeintes Europa unter Einschluss Russlands und ein funktionierender Euro.

Die Presse: Wie viel haben Sie denn jetzt wem in diesem Nationalratswahlkampf gespendet?

Hans-Peter Haselsteiner: Ich habe ausschließlich den Neos gespendet. Wie viel genau, weiß ich nicht. Aber das wird ohnehin veröffentlicht. Wahrscheinlich eh das letzte Mal. Wenn sie Regierungspartei würden, dann geht es sowieso nicht mehr. Und sonst glaube ich auch langsam, dass es ihnen mehr schadet als nützt.

Aber der Verein „Weil's um was geht“ hat auch etwas bekommen?

Lächerlich. 1500 Euro Mitgliedsbeitrag sind keine Wahlkampffinanzierung.

Man hat auch nichts mehr gehört von dem Verein.

Sei es, wie es sei. Dieser Verein hat mit einer Wahlkampffinanzierung nichts zu tun.

Wie kommt Sebastian Kurz dann darauf, dass auf diesem Wege die SPÖ gesponsert wurde?

Irgendeiner wird ihm das gesagt haben. Er selbst hat es sicher nicht erfunden. Er hat mich aber auch nicht angerufen. Sonst hätte ich ihm gesagt: Vergiss es!

Besagter Verein ist ja gewissermaßen als Anti-FPÖ-Plattform ausgerichtet. Woher rührt eigentlich ihre Antipathie gegenüber den Freiheitlichen?

Er ist nicht Anti-FPÖ ausgerichtet, sondern für eine Alternative zu einer sonst zwingenden Regierungsbeteiligung der FPÖ. Die Anti-Hofer-Kampagne im Vorjahr, das war Negative Campaigning. Da habe ich gesagt: Dieser Mensch nicht. Und jetzt heißt es: Es wäre schön, wenn es zur FPÖ eine Alternative geben würde.

Aber woher rührt Ihre Abneigung gegenüber der FPÖ?

Wenn man liest, was die Damen und Herren – vor allem Herren – so geschrieben und von sich gegeben haben, dann muss man als denkender Mensch sagen, es wäre schön, wenn sie nicht an der Regierung wären. Darüber hinaus disqualifiziert sich eine europafeindliche Partei von selbst.

Mit Jörg Haider konnten sie am Anfang aber ganz gut.

Na ja. Das war zu Zeiten, als Haider noch glühender Europäer war.

In diesem Wahlkampf hätten Sie gerne eine Plattform aus Neos und Grünen gehabt. Warum wurde daraus nichts?

Diese Plattform ist ja nicht tot.Sie könnte Teil einer Koalitionsalternative zu einer Regierungsbeteiligung der FPÖ sein.

Was es gab, waren Pläne für eine gemeinsame Plattform der Neos mit Sebastian Kurz. Nach ÖVP-Darstellung hätten Sie das hintertrieben.

Nein. Ich habe damals gesagt, ich möchte gerne wissen, wie das funktionieren soll. Herr Kurz hat damals gesagt, die ÖVP werde nicht vorkommen am Wahlzettel. Das habe ich als unmöglich eingestuft. Was er jetzt erreicht hat, ist zwar nicht ganz das, aber schon eine gewaltige Unterwerfung der Partei. Hier hat Kurz etwas zusammengebracht und ich finde es durchaus erstaunlich, dass er es durchsetzen konnte. Die damals angedachte Allianz hätte die Aufgabe der Neos zur Folge gehabt und das war natürlich undenkbar.

Peter Pilz hat in den Raum gestellt, Sie hätten ihm Unterstützung für seine Liste angeboten.

Der Herr Pilz ist leider kein Freund der Wahrheit. Das ist eine glatte Lüge. Ich habe ihm ein Mail geschrieben, das war alles (Haselsteiner legt das Mail vor, es enthält neun Thesen für eine gemeinsame Allianz aus Grünen, Neos und der Liste Pilz, um eine Regierungsbeteiligung der FPÖ zu verhindern).

Wer wäre Ihnen denn als Kanzler lieber: Christian Kern oder Sebastian Kurz?

Ich kann mit beiden leben. Ich glaube, dass Kern aufgrund seines Alters und seiner Erfahrung mehr Substanz hat und dass das Risiko mit Kurz größer sein wird. Abgesehen davon ist in seinem Programm wenig neu – außer der Bildungspflicht, die ich begrüße.

Der Politologe Anton Pelinka meint, Türkis sei das neue Blau.

Bis zu einem gewissen Grad stimmt das auch. Aber es ist auch legitim, dass Kurz Positionen aufnimmt, die mehrheitsfähig sind. Wenn man eine Wahl gewinnen möchte, dann ist das einer der Wege, den Rechten das Wasser abzugraben.

Macht ihn das dann selbst zum Rechten?

Das ist eine strittige Frage. Es wird sich herausstellen, wenn er an der Regierung ist.

Jetzt muss ich noch einmal nachhaken: Die FPÖ hat ein sehr wirtschaftsfreundliches, vor allem industriefreundliches Programm, immer schon, jetzt noch stärker. Sie als einer der führenden Industriellen tendieren aber immer eher zur Linken. Warum ist das so?

Der unternehmerfreundlichste Finanzminister, den ich erlebt habe, war der Sozialdemokrat Ferdinand Lacina. Ich bin aber vor allem deshalb immer wieder linken Positionen, vor allem bei der Besteuerung zugeneigt, weil ich glaube, ein sehr hohes Gut ist der soziale Friede ist. Das größte Gift für die Gesellschaft ist es, wenn die Kluft zwischen Armen und Vermögenden weiter aufgeht. Da haben ich und meinesgleichen am meisten zu verlieren.

Ein großes Thema dieses Wahlkampfs ist der Komplex Migration, Asyl, Islam. Wie sehen Sie denn das?

Gott sei Dank haben wir den ungezügelten Zustrom bremsen können. Also: Dieses Thema ist nicht mehr so drückend. Ganz ein anderes Thema ist die Integration, derer die da sind. Das halte ich für ein sehr großes Problem. Und auch das Thema des politischen Islam muss angesprochen werden. Niemand will Brutstätten für Extremisten in Koranschulen oder Kindergärten.

Hatten Sie mit dem Engagement von Tal Silberstein für die Neos im Wien-Wahlkampf 2015 etwas zu tun?

Nein. Ich kenne ihn nicht.

Wie sehen Sie die Rolle Alfred Gusenbauers in diesem Wahlkampf?

Dass er geprügelt wird, ist eh klar. Der Herr Ex-Bundeskanzler müsste ja in Sack und Asche gehen. Und dann geht er her, macht sich selbstständig und ist auch noch erfolgreich! Ganz schlimm! Und er hat Mandate und berät . . .

Diktatoren . . .

Ich würde mir wünschen, alle Diktatoren würden sich beraten lassen. Dass ihnen jemand sagt: Sie, vielleicht ist das nicht die beste Idee. Aber nein: Man isoliert sie! Ein paar Sanktionen vielleicht noch. Und ein bisschen radikalisieren. Dann kommt Nordkorea heraus.

Apropos Sanktionen: Wie sehen Sie denn jene gegen Russland?

Sie sind wirkungslos. Und treffen die Falschen. Wir Europäer betreiben hier die Politik der Amerikaner. Dass der Ausgleich mit Russland nicht gelungen ist, ist eine Niederlage für meine Generation. Europa ist auch heute noch ein geteilter Kontinent, denn Russland ist Europa. So traurig es ist, dass die Briten Europa verlassen, so traurig ist es, dass die Russen nie dazu gehört haben.

Vielleicht auch, weil sie es selbst nicht wirklich wollten.

Die Russen hätten das natürlich wollen. Putin am Anfang seiner Regierungszeit wäre zu gewinnen gewesen. Und das hätte Europa groß gemacht. Natürlich war das nicht im Interesse von Amerika und der Nato, denn die zwei Supergaus für die Amerikaner wären zwei Dinge: Ein geeintes Europa unter Einschluss Russlands und ein funktionierender Euro.

Aber hätte das funktioniert – das demokratische Europa und der Autokrat Putin?

Ich glaube, dass der Autokrat Putin nicht der Autokrat geworden wäre, der er jetzt ist. Er hätte sich Europa angepasst. Für mich war Russland der Traum der Träume. Ich habe immer gesagt, Russland wird nicht nur Europa groß machen, sondern auch die Strabag. Das ist der größte Baumarkt, den es gibt. Da war ich leider naiv. Ich hätte wissen müssen, dass es mit einer Nato-Strategie im Hintergrund verhindert werden wird. Wir hätten es ja in der Hand gehabt, einen breiten neutralen Gürtel in Europa zu schaffen. Aber bevor die Letten, Litauer, Rumänen wussten, wofür die EU steht, haben sie schon die F16 der Nato gehabt.

Auch verständlich.

Von deren Warte her. Aber nicht aus europäischer Sicht. Dann sollte Georgien zur Nato, dazu der Raketenschirm in Polen – gegen den Iran! So naiv kann man ja eigentlich nicht sein. Aber die Propaganda wirkt wie gewünscht in Europa: Das alles sei friedenssichernd und nicht gegen Russland errichtet.

Wie man in der Ukraine gesehen hat, ist die Angst vor den Russen nicht ganz unbegründet.

Wenn die Nato und die EU eine Einladung an die Ukraine ausspricht, der Nato und der EU beizutreten, dann muss sich doch einer überlegt haben, was die Russen dann mit ihrem Militärhafen Sewastopol auf der Krim tun, dass die Krim zu 95 Prozent russisch besiedelt ist. Dann kann man sich eigentlich ausrechnen, dass das keine gute Idee ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2017)

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