Die gesteuerte Glyphosat-Erregung

Vor der Wahl hat die Bewirtschaftung der öffentlichen Sorgenwelt durch Politik und Medien Hochkonjunktur.

Die NGO-Kampagne gegen Glyphosat kommt zu einem parlamentarischen Höhepunkt. Das Muster der öffentlichen Erregung und der daraus folgenden politischen Beschlüsse haben wir noch von den Bienen in peinlicher Erinnerung. Die kostspieligen Folgen für die Wirtschaft wurden nicht bewertet. Die Imker aber leben nach wie vor mit denselben Problemen (Varroamilbe etc.), wie die Zahlen der im Winter verendeten Bienenvölker bestätigen.

Die Diskussion über ein Glyphosatverbot ist bemerkenswert: Die Kommunikation ist emotional und dabei völlig wirklichkeitsentbunden. Ein mögliches Verbot wird allerdings gerade in Bereichen teuer kommen, die noch gar nicht damit rechnen.

Schon bei Feldern mit geringen Hanglagen wird das Verbot der Glyphosatanwendung die Praxis eines humusschonenden und bodenkonservierenden Ackerbaus der nachhaltig konventionellen Landwirtschaft vor große Probleme stellen. Warum?

Bodenschützende Winterbegrünung, die wegen milder Winter nicht erfriert, verlangt ohne Glyphosat mehrmalige mechanische Bodenbearbeitung. Landwirte, die sich verpflichtet haben, ohne Glyphosat zu arbeiten, haben wegen der häufigeren Bodenbearbeitung im Frühjahr in Hanglagen ein deutlich höheres Risiko der Erdabschwemmung. Die Kosten der Beseitigung der abgeschwemmten Erde werden von den Geschädigten den Landwirten angelastet. Das wird bereits vor Gericht abgehandelt.

Stumpfes nationales Verbot

Halten wir also Folgendes fest:

1.Alle seriösen staatlichen Institute weltweit klassifizieren Glyphosat bei vorgesehener Anwendung in der Landwirtschaft als „unbedenklich“ und als Produkt mit den geringsten Nebenwirkungen sowie der völligen Unbedenklichkeit für den Menschen, (sowohl für die Anwender als auch für die Konsumenten).

2.Ein nationales Verbot ist kein Grund für ein Verkehrsverbot von Lebensmitteln, solange Glyphosatrückstände nicht über den WTO-Grenzwerten liegen. Diese gibt es für 378 definierte pflanzliche und tierische Produkte zwischen 0,05 mg/kg und 50 mg/kg. Die Grenzwerte sind international und in der EU gültiger Rechtsbestand. Sie gelten unabhängig von Sonderbestimmungen in Österreich auch für Lebensmittel in Österreich.

„Anwendung unbedenklich“

3.Produkte aus Österreich können schon jetzt keine Rückstände von Glyphosat aufweisen, weil Glyphosat auf Pflanzen, die geerntet werden, nicht angewendet wird, weil es das Absterben der Kulturpflanze bewirkt. Nur gentechnisch veränderte Pflanzen vertragen das, doch solche Pflanzen sind in Österreich verboten.

4.Die Einstufung des Krebsrisikos durch IARC, auf die sich Kritiker berufen, erfolgt nach Kategorien. In diesem Schema ist Glyphosat weniger problematisch eingestuft als Holzstaub, Lederstaub, aber auch Geselchtes, Wurst oder Alkohol etc.

5.Die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde (Efsa), die Europäische Chemikalienbehörde (Echa), das Deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung und viele andere Behörden kommen zur Einschätzung „unbedenklich“ in der Anwendung zur Unkrautbekämpfung. Das Ergebnis der Echa-Prüfung wurde im Sommer veröffentlicht, in den Medien aber verschwiegen.

Das Geschäftsmodell der NGOs in diesem Bereich funktioniert auf einer medialen Bühne, die in dieser Art in Österreich besonders ausgeprägt ist. Grüne und auch der ORF beteiligen sich an der selektiven Nachrichtenpräsentation. Gerade vor Wahlen scheint die Bewirtschaftung der öffentlichen Sorgenwelt Konjunktur zu haben.

Ing. Hermann Schultes (*1953 in Wien) ist Landwirt in Zwerndorf, Abgeordneter der ÖVP zum Nationalrat und Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2017)

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