In Europa bleibt Geld weiterhin billig

FILE PHOTO: U.S. Federal Reserve Chair Yellen speaks with European Central Bank President Draghi at the Jackson Hole Economic Policy Symposium in Jackson Hole
FILE PHOTO: U.S. Federal Reserve Chair Yellen speaks with European Central Bank President Draghi at the Jackson Hole Economic Policy Symposium in Jackson Hole(c) REUTERS (David Stubbs)
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Nach fast zehn Jahren läutet die US-Notenbank Fed den Ausstieg aus dem Krisenmodus ein. Die EZB dürfte 2018 die Anleihenkäufe senken, die Zinswende ist aber noch in weiter Ferne.

Wien. Nur keine Schockwirkung an den Märkten verursachen. Das ist spätestens seit dem Mai 2013 die oberste Prämisse der Chefs großer Notenbanken. Vor vier Jahren hatte der damalige Präsident der US-Notenbank, Ben Bernanke, mit seiner Ankündigung die Anleihenkäufe demnächst zurückzufahren, die Finanzmärkte auf dem falschen Fuß erwischt. Die Folge war eine kurzfristige Panik unter den Investoren, die als „Taper Tantrum“ in die Geschichtsbücher einging. Vor allem Schwellenländer, für die das billige Geld aus den USA eine wichtige Stütze der Wirtschaft geworden war, litten unter dem plötzlichen kalten Entzug. So verlor etwa die indonesische Rupie innerhalb weniger Wochen 20 Prozent an Wert. Aber auch die Nachfrage nach US-Staatsanleihen ging schlagartig zurück, weshalb die Renditen nach oben schnellten.

Kernschmelze verhindert

Die Wiederholung dieses „Taper Tantrums“ zu vermeiden, war also die Hauptzielrichtung von Bernankes Nachfolgerin an der Fed-Spitze, Janet Yellen, als sie am Mittwochabend europäischer Zeit den nächsten Schritt auf dem Weg zur geldpolitischen Normalisierung bekannt gab („Die Presse“ berichtete in einem Teil der Donnerstagsausgabe). Neue Anleihen kauft die Fed zwar bereits seit dem Jahr 2014 nicht mehr. Dennoch sitzt sie nach wie vor auf einer Bilanz, die von einst 900 Mrd. Dollar vor Beginn der Finanzkrise auf rund 4,5 Billionen Dollar angewachsen ist. Grund dafür waren die drei Durchläufe an Anleihenkäufen (Quantitative Easing I bis III), mit denen die Fed einst die Kernschmelze des Finanzsystems verhindert und später die Ankurbelung der US-Wirtschaft versucht hatte.

Dieser Anleihenberg soll nun langsam abgetragen werden. Das passiert, indem abreifende Anleihen nicht mehr durch neue Papiere ersetzt werden. Anfangs spricht die Fed dabei von einem monatlichen Volumen von zehn Mrd. Dollar, das soll mittelfristig jedoch auf 50 Mrd. Dollar gesteigert werden. Wie weit die Fed ihre Bilanzsumme dabei nach unten bringen will, gab Yellen nicht bekannt. Klar ist aber, dass es lange dauern wird, bis dieser Prozess abgeschlossen ist.

Dennoch gerät nun die Europäische Zentralbank – und vor allem die nächste Sitzung des EZB-Rates im Oktober – verstärkt ins Visier des Interesses. Denn in Europa ist man noch mitten im Krisenmodus: Die Währungshüter in Frankfurt kaufen derzeit noch jeden Monat Anleihen im Volumen von 60 Mrd. Dollar, um Liquidität in die Märkte zu bringen (und damit auch die Zinsen für die Staaten gering zu halten).

Im Juni wurde von EZB-Chef Mario Draghi verlautbart, dass das Anleihenkaufprogramm noch zumindest bis Ende des Jahres in diesem Ausmaß weitergehen werde. Nun erwarten sich die Märkte zunehmend eine Antwort auf die Frage, was für 2018 geplant wird. Bisher hielten sich die Ratsmitglieder bedeckt, zuletzt hieß es, dass Uneinigkeit darüber herrsche, ob bereits ein Enddatum für die Käufe genannt werden soll oder nicht.

EZB-Bilanz schwillt weiter an

Die Bilanz der EZB wird damit noch einige Zeit weiter anschwellen. Und selbst wenn die EZB dereinst mit dem Kauf von Anleihen aufhört, dürfte sie ebenfalls Zeit verstreichen lassen, bis sie ein Reduktionsprogramm beginnt. Bei der Fed waren das nun immerhin rund drei Jahre. Allerdings hat die US-Notenbank auch bereits kurz nach Ausbruch der Krise im Jahr 2008 mit den Anleihenkäufen begonnen. In der EZB begann diese Politik erst im Jahr 2015. Gegenüber dem Vorkrisenniveau von rund zwei Billionen Dollar vergrößerte die Zentralbank in Frankfurt ihre Bilanzsumme seither auf gut fünf Billionen Dollar.

Klar ist jedenfalls, dass die nun wieder stärker im Ungleichgewicht laufende Geldpolitik dies- und jenseits des Atlantiks Auswirkungen auf die Wirtschaft haben wird. So stieg der Dollar schon in den vergangenen Wochen deutlich an, weil die Märkte eine Rückkehr der Normalisierung und somit auch steigende Zinsen erwarten. Schon jetzt ist das Zinsniveau in den USA um einen Prozentpunkt höher als in der Eurozone. Eine Zinswende in Europa wird frühestens für Ende 2018 erwartet. Was die US-Investoren freut, bedeutet für amerikanische Unternehmen auf dem Weltmarkt natürlich Nachteile. Ihre Produkte verteuern sich dadurch. Profiteure davon sind wiederum oftmals Exporteure aus Europa.

AUF EINEN BLICK

Im Dezember 2008 begann die US-Notenbank Fed mit der ersten Welle ihres Anleihenkaufprogramms (Quantitative Easing). Bis Oktober 2014 folgten zwei weitere Wellen. In Summe hat die Fed ihre Bilanz damit von einst rund 900 Mrd. Dollar auf etwa 4,5 Billionen Dollar aufgebläht. Dieser Berg soll nun langsam abgebaut werden, indem abreifende Anleihen nicht mehr ersetzt werden. Die EZB kauft indes weiterhin jeden Monat Anleihen im Volumen von 60 Mrd. Euro. Wie lange noch, ist derzeit offen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2017)

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