Kurz "warnt" vor dem sicheren Sieg

Top candidate of Austria's Peoples Party (OeVP) Kurz arrives to his party's election campaign rally in Vienna
Top candidate of Austria's Peoples Party (OeVP) Kurz arrives to his party's election campaign rally in ViennaREUTERS
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Sebastian Kurz lässt sich vom amerikanischen Wahlkampf inspirieren und ruft seine Fans zum Wahlkampf-Endspurt auf.

Wien. Wann beginnt ein Wahlkampf? Mit dem Beschluss, die Koalition aufzulösen und neu zu wählen? Mit den ersten Auftritten der Spitzenkandidaten? Mit den TV-Duellen? Oder schon viel früher, wenn darauf hingearbeitet wird, die Koalition zum Platzen zu bringen? Die ÖVP findet eine andere Antwort: Am Samstag, rund drei Wochen vor der Wahl, „startete“ sie in den Wahlkampf. Der „Wahlkampfauftakt“ ist ein Ritual, dem sich keine Partei verschließen kann. Und alle platzieren den Auftakt in die Mitte des Wahlkampfs, die Volkspartei ist als letzte dran. Der Auftakt markiert quasi den Start in die Schlussphase.

Es ist ein Zeichen für das neue Selbstbewusstsein der ÖVP: Ausgerechnet in Wien, wo in den vergangenen Jahren wenig zu holen war, lädt Parteichef Sebastian Kurz zu seinem großen Event. Aber das Wagnis geht auf: Der größte Saal in der Stadthalle ist voll, angeblich sind am Samstag 10.000 Gäste gekommen – und das nicht nur, weil Funktionäre und Wahlkampfhelfer aus ganz Österreich angereist sind. Länger gediente ÖVP-Funktionäre wissen: So viele Besucher hat es bei einer Wahlveranstaltung in Wien noch nie gegeben. Auch nicht, als Wolfgang Schüssel das letzte Mal zu einem Wahltriumph führte. Überzeugen muss Sebastian Kurz hier niemanden. Er ist von Fans umgeben. „Der Sebastian wird Bundeskanzler“, sagt einer der jüngeren Besucher. Er ist nicht der einzige, der dieser Überzeugung ist.

Besuch in Amerika

Man merkt: Der ÖVP-Wahlkampfmanager hat amerikanische Wahlkämpfe besucht: Die Choreografie ist ausgefeilt, sie erinnert stark an die Wahlkämpfe von Barack Obama und Hillary Clinton. Das Publikum spielt mit, hält Tafeln in die Höhe, hilft mit, den Saal türkis einzufärben. Die Parteibezeichnung ÖVP sieht man hier nirgends. „Liste Kurz“, „Entscheidung für Österreich“ und „15. Oktober“ ist zu lesen. Und auch am Podium nimmt kaum jemand den Parteinamen ÖVP in den Mund. Wenn schon, dann den Terminus „neue Volkspartei“.

Peter L. Eppinger hat die Aufgabe übernommen, das Publikum einzustimmen und der frühere ORF-Moderator macht das routiniert. „Wer war schon bei unserer Tour dabei?“, fragt er ins Publikum. Einige spärliche Hände heben sich. „Gegenprobe: Wer war nicht dabei?“ Auch da melden sich nur wenige. Eppinger: „Und jetzt heben alle die Hand, denen völlig egal ist, was ich hier rede.“

Es geht darum, das Publikum für den Endspurt zu motivieren. „Wir müssen rennen bis zum Schluss“, ruft Innenminister Wolfgang Sobotka die Wahlhelfer auf. Auch als Austrianer könne man die Rapid-Viertelstunde ausrufen, findet er. Es gehe jetzt darum, diejenigen zu überzeugen, die glauben, die Wahl sei längst gelaufen, und sie könnten ja Neos oder eine andere Partei wählen.

Anleihen bei Hillary Clinton

Nach zwei Stunden Vorprogramm ist es endlich so weit: Sebastian Kurz betritt die Bühne. Nach einer überwundenen Erkältung spult er routiniert sein Wahlkampfprogramm ab. Am 15. Oktober werde es eine Richtungsentscheidung für das Land geben, es gebe die Chance, das „alte System“ hinter sich zu lassen. Sieben Rahmenbedingungen nennt Kurz, um Österreich „zurück an die Spitze“ zu bringen. Eine „Schuldenbremse“ in der Verfassung ist dabei, die Einführung einer „Bildungspflicht“ statt der Schulpflicht oder das Verbot von budgetrelevanten Gesetzesbeschlüssen nach dem Ausrufen von Neuwahlen. Und natürlich darf da auch sein wichtigstes Wahlkampfthema, der Kampf gegen illegale Migration und gegen „Einwanderung ins Sozialsystem“ nicht fehlen. Neu ist die Forderung nach einer Richtlinienkompetenz für den Bundeskanzler nach deutschem Vorbild. Denn der Regierungschef müsse die Möglichkeit haben, zu führen und zu entscheiden.

Und dann die Warnung an seine Fans: Sie sollen doch bitte die Meinungsumfragen vergessen, die seien nicht relevant. Es werde noch verdammt schwierig werden, diese Wahl zu gewinnen. Aber noch habe man es in der Hand, noch könne man gewinnen. Und dann lässt sich Sebastian Kurz von seinen Anhängern feiern, wie sich schon Hillary Clinton hat feiern lassen. 

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2017)

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