Stefan Slupetzky: Eine Rückkehr mit Makel

Krimiautor und Sprachkünstler Stefan Slupetzky entdeckt sein literarisches Faible für Geschichte.
Krimiautor und Sprachkünstler Stefan Slupetzky entdeckt sein literarisches Faible für Geschichte.(c) Kurt Pinter
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Acht Jahre mussten Fans von Stefan Slupetzky auf „Die Rückkehr des Lemming“ warten. Der Krimi ist wie erwartet amüsant und absurd, phasenweise aber auch ein wenig albern.

Der Lemming ist zweifellos eine der Kultfiguren des humorigen österreichischen Kriminalromans. Leopold Wallisch, so heißt der Expolizist mit bürgerlichem Namen, kann sich direkt neben dem Brenner (Wolf Haas) und dem Metzger (Thomas Raab) einreihen. Sein vierter und bislang letzter Fall („Lemmings Zorn“) liegt aber schon acht Jahre zurück. Wenig verwunderlich heißt das neueste Lemming-Abenteuer daher nun „Die Rückkehr des Lemming“.

Der Roman beginnt mit einer süffisant erzählten, scheinbar belanglosen Alltagsszene, in deren Mittelpunkt ein junger Straßenbahnfahrer steht. Autor Stefan Slupetzky attackiert dabei genussvoll das „goldene Wienerherz“, das es bekanntlich nicht so mit Wartezeiten hat („Ey, Alter, bist du Straßenbahn oder Sozialverein?“), ehe er schildert, wie sich Fahrer Theo Ptak in eine attraktive Unbekannte verliebt, die er immer bei einer bestimmten Haltestelle stehen sieht. Es wäre kein Kriminalroman, würde diese Frau nicht eines Tages vor den Augen Ptaks entführt werden. Dieser denkt sofort an seinen Onkel, den ehemaligen Polizisten Lemming. So nehmen die Geschehnisse ihren Lauf. Auch Inspektor Polivka, bekannt aus Slupetzkys im Jahr 2013 erschienenem Kriminalroman „Polivka hat einen Traum“, wird eine prominente Rolle spielen.


Nebenfigur wird zur Hauptfigur.
Davon scheinbar unabhängig erzählt Sprachkünstler Slupetzky die Geschichte von Max Horvat, der im Jahr 1658 mit zwei Dodo-Vögeln (diese Vogelart ist mittlerweile ausgestorben) namens Kaspar und Pannonia an Bord eines Ostindienseglers die afrikanische Küste entlang in Richtung des europäischen Festlands fährt. Horvat will die Vögel Kaiser Ferdinand übergeben.

Und dann ist es dieser historische Erzählstrang, der auf den ersten Blick so gar nicht in die Geschichte passen will, der am besten funktioniert. Der Autor verpackt spannendes Wissen über die Zeit von damals in die Handlung, Max Horvat wird zur eigentlichen Hauptfigur des Buches. Schade, dass Slupetzky dieser Figur nicht mehr Raum zugesteht.

Vielleicht liegt es an der achtjährigen Wartezeit auf die Rückkehr des Lemmings und die damit einhergehende Erwartungshaltung, dass die Begegnung mit Lemming zwar wie ein netter Besuch bei einer alten Liebe abläuft, die man jahrelang nicht gesehen hat – man nachher aber weiß, dass diese Liebe unwiederbringlich erkaltet ist. Was Autor Stefan Slupetzky einst genial locker auf Papier brachte, wirkt nun stellenweise erzwungen.

Zum Beispiel sollen die ersten Sätze der jeweiligen Kapitel für Spaß sorgen. Das funktioniert diesmal aber leidlich. „Die Schokolade ist der Paintball des Kindersoldaten“ und „Der Petticoat ist das Bonbonpapier unter den Kleidern“ mag ja noch einigermaßen hinhauen, aber Formulierungen wie „Der Mensch ist der Windstoß unter den Bäumen“, „Verkehrslärm ist der Gassenhauer der Speckgürtelmusikanten“ oder „Der Deutsche Schäfer ist der Volkswagen unter den Säugetieren“ lassen eher Fragezeichen entstehen, als dass sie für Erheiterung sorgen.

Immer wieder funkelt das sprachverliebte Talent des Autors hervor. Aber rasch hört der Schmäh zu sprühen auf. Natürlich ist das Buch gute Unterhaltung, aber es wäre mehr drin. Slupetzky hat eine amüsante und absurde Geschichte geschrieben – stellenweise ist die leider aber auch ein wenig albern. Das war bei den Vorgängern trotz aller Komik und Skurrilität nicht der Fall.

Kommt historischer Roman? Vielleicht ist es einfach an der Zeit, den Lemming Lemming sein zu lassen. Wie der Autor mit seinem eindrucksvollen Max-Horvat-Erzählstrang beweist, versteht er es hervorragend, Geschichte nahezubringen. Nach Slupetzkys im Vorjahr erschienenem, sehr persönlichem zeithistorischen Roman „Der letzte große Trost“ – der auch eine Aufarbeitung seiner Familiengeschichte darstellt – stellt sich ohnehin die Frage, ob der Autor künftig nicht stärker den Sprung ins historische Genre wagen will. Davon will man definitiv mehr lesen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2017)


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